Entscheidung der Herzen (German Edition)
zog ihr Knie an und stieβ mit aller Kraft gegen Sir Baldwins empfindsamste Stelle.
»Au!«
Er lieβ sie los und presste beide Hände auf das geschundene Stück, krümmte sich zusammen. »Das wirst du mir büβen«, fauchte er mit schmerzverzerrtem Gesicht.
Doch Cathryn lieβ sich von seiner Drohung nicht beeindrucken. Sie rannte mit gerafften Röcken zurück zum Schloss, zurück in den Schutz ihrer Familie.
Allein in ihrem Zimmer beruhigte sie sich nur sehr langsam. Noch immer spürte sie die feuchten Lippen Humberts auf den ihren, seine groben Hände auf ihren Brüsten. Sie musste würgen, wenn sie daran dachte.
»Ich kann ihn nicht heiraten«, murmelte sie leise und mit Tränen erstickter Stimme. »So Leid es mir tut, aber ich bringe es nicht über das Herz. Ich würde sterben, noch ehe die Flitterwochen vorbei sind.«
Sie trat ans Fenster und starrte blicklos hinaus. Plötzlich hob sie ihre kleine Hand, ballte sie zur Faust und hieb damit auf das Fensterbrett. »Ich kann nicht ohne Cassian leben, ich weiβ es. Meine Familie schafft es ohne mich, mit Humbert fertig zu werden. Sie sind klug, mutig und stark. Meine Eltern haben einander. Aber ich, ich brauche Cassian wie die Luft zum Atmen.«
Wieder starrte sie hinaus, sah in der Ferne einen Reiter und ihr Herz schlug vor Freude schneller. David, dachte sie. Endlich kommt er zurück. Doch schon bald erkannte sie, dass es Sir Baldwin war, der sich auf seiner Stute langsam dem Schloss näherte. Sir Baldwin Humbert, der vor weniger als einer Stunde drauf und dran gewesen war, sie zu vergewaltigen. Oh, sie wusste, sie konnte sich ihm nicht verweigern, sobald sie mit ihm verheiratet sein würde. Er würde sie jeden Tag demütigen, würde die Frau in ihr zerstören, ihren Stolz verletzen, bis sie ganz und gar gebrochen war.
Aber gab es nicht vielleicht doch eine Möglichkeit, diesem Schicksal zu entkommen? Was wäre, dachte sie und fühlte plötzlich eine wunderbare Leichtigkeit, was wäre, ginge ich zurück zu Cassian ? Wir könnten nach Frankreich gehen oder in die Highlands. Irgendwohin, wo uns Humbert niemals finden kann. Meine Eltern würden ihren Besitz verlieren, dochwas ist schon Besitz? Eines Tages, das sagen alle, wird der König zurückkommen und alles wird wieder wie früher. Und bis dahin, nun, im allerschlimmsten Falle müssten sie nach Nottingham zu Verwandten gehen.
Ja, ich werde es tun, beschloss Cathryn. Sobald David zurückkommt und mir sagt, wo Cassian ist, werde ich zu ihm gehen. Mein Platz ist an seiner Seite. Er braucht mich mehr als die Jourdan-Manors und ihre Besitzer.
Gerade in diesem Moment läutete Margarete in der Halle die Glocke, um anzuzeigen, dass das Abendbrot angerichtet war.
Sir Baldwin kam wenig später. Er lieβ sein Eintreffen melden und wurde von Lord Arthur widerwillig zum Abendbrot eingeladen. Bei Tisch saβ er neben Cathryn, doch er behandelte sie mit allergröβter Zuvorkommenheit und so, als sei zwischen ihnen nicht das Geringste vorgefallen.
»Nun«, fragte Lord Arthur und lehnte sich bequem in seinem gepolsterten Lehnstuhl zurück. »Was gibt es Neues in Nottingham? Wie ich hörte, wart Ihr dieser Tag im Parlament.«
Sir Baldwin lehnte sich ebenfalls zurück und verschränkte seine Hände vor dem Bauch. »Richard Cromwell, der Sohn unseres geliebten Lordprotektors, regiert das Land ganz im Sinne seines Vaters. Das Parlament in London fasst wie immer groβartige Beschlüsse und das Parlament in Nottingham, dem ich angehöre, bemüht sich nach Kräften, diese Beschlüsse in unserer Region umzusetzen.«
»Hmmm«, machte Lord Arthur. »Das Parlament tut seine Arbeit. Das hört man gern. Doch wie steht es um dieGerüchte, der König plane bereits seine Rückkehr nach London?«
Sir Baldwin winkte ab. »Macht Euch keine Hoffnungen. So lange die Pest in der Stadt wütet, setzt Karl IL keinen Schritt auf die Insel. Er wird noch eine verdammt lange Weile auf dem Festland bleiben. Er ist zwar aus Paris abgereist und weilt nun in den Niederlanden, doch um zu regieren, braucht er Geld. Tja, und daran mangelt es. Ihr seht. Lord Arthur, Ihr befindet Euch mit Euren Sorgen in allerbester Gesellschaft.«
Arthur von Jourdan lächelte fein. »Ich habe keine Sorgen, Sir Baldwin. Und ich weiβ auch nicht, wovon Ihr sprecht. Die Ernte wird gut. Ich bin schon jetzt sicher, dass im Herbst die Scheunen und Kornkammern gut gefüllt sein werden. Das Vieh steht prächtig auf der Weide. In einem Punkt aber stimmen wir überein, lieber
Weitere Kostenlose Bücher