Entscheidung des Schicksals
Verlegen senkte sie den Blick, als ihr bewusst wurde, dass er sich wieder mit Gabes getroffen hatte.
Ihre Wange war kühl, als sie sie mit dem Handrücken streifte und sich wieder an die Arbeit machte. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass auch Gabe von der Situation überrumpelt worden war.
Aber sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wie sie seine gerunzelte Stirn deuten sollte, als er in Richtung der Ställe davonging.
2. KAPITEL
Keuchend wischte Gabe sich mit dem verwaschenen grauen YaleTShirt den Schweiß aus dem Gesicht und stützte die Hände auf die Knie, um tief durchzuatmen. Die Morgensonne brannte an seinem Hinterkopf, als er die kühle Luft einsog.
Er hatte gerade seine beste Meilenzeit um fünf Sekunden unterboten, und das nachdem er die üblichen fünf gelaufen war.
In seinem Körper gab es keinen Muskel mehr, der nicht protestierte.
Er hatte einen neuen persönlichen Rekord aufgestellt, aber die Befriedigung darüber wollte sich einfach nicht einstellen. Das enttäuschte ihn, aber er war nicht aus sportlichem Ehrgeiz so schnell gelaufen, sondern wegen der inneren Unruhe, die ihn quälte, seit er gestern Addie am Pavillon zurückgelassen hatte.
Langsam richtete er sich auf, wischte sich noch einmal über das Gesicht und ging die lange, von Eichen gesäumte Auffahrt entlang, die von der einsamen Landstraße zum Haus führte. Er war nicht sicher, was er gefühlt hatte, als er durch seine Schwester von Addies Neuigkeit erfahren hatte. Er hatte glauben wollen, dass es nur Erstaunen war. Dass er einfach nur überrascht gewesen war, weil sie nie auch nur angedeutet hatte, dass es für sie jemanden gab.
Die Erklärung war logisch und vernünftig. Schließlich kannte er sie seit ihrer Geburt und hatte sie nie als jemanden gesehen, der noch ein Leben außerhalb des Anwesens seiner Familie führte. Dass er zu einer so beengten Sichtweise fähig war, störte ihn. Und sosehr die Logik ihn besänftigte, so wenig konnte sie gegen die Unruhe ausrichten. Irgendetwas an dieser Unruhe fühlte sich an wie ungläubiges Staunen. Oder wie Kränkung. Oder… Enttäuschung.
Sein Mund wurde schmal, als er auf das Haupthaus mit seinen drei Stockwerken und dem hohen Säulenvorbau zuging. Er hätte nicht gedacht, dass sie ihm etwas so Bedeutsames vorenthalten würde. Sie sprach mit ihm über alles, was ihr wichtig war. Jedenfalls hatte er das angenommen.
Die Tische und Stühle für die fünfhundert Gäste waren eingetroffen. Auch die Floristin war da. Arbeiter schoben Karren voller Kartons und Blumen über die Einfahrt, dekorierten den Springbrunnen mit Girlanden und trugen Arrangements zu dem weißen Zelt, in dem das Diner stattfinden sollte.
Gabe wusste, dass Addie sich aus dem Trubel heraushalten würde. Ihre Arbeit war getan. Sie auf dem riesigen Gelände mit seinen Hecken, Windbrechern und dem von einem Wald umgebenen Privatsee zu finden wäre unmöglich, wäre da nicht das Geräusch des Rasenmähers. Er folgte ihm dorthin, wo einer der uniformierten Gärtner der Grünfläche an den Tennisplätzen den letzten Schliff gab, und fragte ihn, wo seine Chefin war.
Drei Minuten später fand Gabe sie hinter einer Buchsbaumhecke in der Nähe der Garage. Sie kniete vor der Schalttafel der automatischen Bewässerungsanlage.
„Es wäre nicht gut, wenn sie während der Trauung losgeht und den Gästen eine kalte Dusche verpasst.“ Sie spürte seine Anwesenheit, noch bevor er ein Wort sagte. „Hochzeiten sollen denkwürdig sein, aber ich glaube nicht, dass das etwas wäre, an das deine Mutter sich gern erinnern würde.“
Sie stand auf und drehte sich um. Ihr Blick wanderte von dem verschwitzten V
unter dem Kragen des TShirts zu seinen weiten grauen Laufshorts. Zum ersten Mal fehlte ihrem Lächeln die Wärme, an die er sich gewöhnt hatte.
„Wie war dein Ausritt gestern?“ fragte sie und klang entspannter, als sie aussah.
„Ich habe gehört, dass du den neuen Hengst genommen hast. Er ist großartig, nicht wahr?“
Die letzte Neuerwerbung seines Vaters war tatsächlich ein unglaubliches Tier.
Addie konnte vermutlich über seine Abstammung und die von ihm errungenen Preise so ausgiebig reden wie über die Herkunft und die Auszeichnungen der viktorianischen Rosen seiner Mutter. Wenn etwas lebendig war, interessierte es sie. Aber das Einzige, worüber er sich mit unterhalten wollte, war das, was sie von sich aus nicht angesprochen hatte.
„Warum hast du mir nicht erzählt, dass du verlobt bist?“
Die Frage an sich
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