Entscheidung des Schicksals
jemanden heiratete, ohne sich über ihre Gefühle im Klaren zu sein. Er wollte wissen, was sie tun würde, wenn sie nach ein paar Jahren feststellte, dass das, was sie empfunden hatte, gar keine Liebe gewesen war. Wenn er heiratete, wollte er Gewissheit haben. Er wollte kein Samenkorn, sondern eine fest verwurzelte, ausgewachsene und blühende Pflanze.
Genau deshalb hatte er es auch nicht eilig, den Rat seines Onkels zu befolgen und sich eine Partnerin fürs Leben zu suchen. Die Frau, die er heiratete, musste jemand sein, den die Menschen bewunderten und zu dem sie aufsahen. Jemand, den sie lieben konnten. Aber bevor sie es taten, musste er es tun.
Die Kinder seiner Cousinen bewahrten ihn davor, Addie noch mehr Fragen zu stellen. Die aufgeregten Rufe kamen näher.
„Gabe? Bist du da unten?“
„Gabe, wo bist du?“
„Komme gleich!“ rief er zurück.
„Mom hat gesagt, du sollst mit uns Fußball spielen, und Trevor lässt mich nicht Torwart sein.“
„Ich will ins Tor! Und Kenny hat den Ball versteckt!“
„Hab ich nicht!“ ertönte nun eine dritte Stimme. „Das war Tyler.“
Gabe schob die Finger durch sein windzerzaustes Haar. „Gebt mir eine Minute!
Okay?“
„Du solltest besser gehen.“ Addie starrte auf den muskulösen Oberarm. Als sie merkte, dass das Gefühl in ihrem Bauch sich dadurch irgendwie veränderte, schaute sie hastig an seinen breiten Schultern vorbei. „Das klingt, als brauchten sie einen Schiedsrichter.“
Der Mann war Senator. Er hatte Einfluss auf das Wohlergehen der sieben Millionen Bewohner von Virginia. Er hatte Büros in Camelot und Richmond. Aber hier und heute musste er den Babysitter machen.
Addie hätte gelächelt, wäre da nicht die Anspannung, die noch immer von ihm ausging.
„Ich muss weitermachen“, sagte sie und zeigte hinter sich. „Einige Sprinkler gehen in ein paar Minuten los, wenn ich den Timer nicht verstelle.“
Wieder riefen die Jungs nach ihm. Ihre Stimmen waren nur noch Meter entfernt.
„Wo wirst du heute Abend sein?“ fragte er.
„Ich helfe meiner Mom im Haupthaus“, antwortete sie und wusste nicht, warum er es wissen wollte. Noch gestern hatte sie gedacht, er würde sich für sie freuen.
Eine Verlobung war etwas Besonderes. Aber alles, was sie an ihm wahrnahm, war ein unerklärliches Missfallen.
Als zwei dunkelhaarige zukünftige Herzensbrecher um die Ecke der hohen Hecke sausten, hob Gabe sich den kleineren der beiden auf den Rücken. Dem anderen, etwa sieben Jahre alten Jungen tätschelte er den Kopf.
Addie konzentrierte sich wieder auf ihre Arbeit und versuchte, sich daran zu erinnern, welche Ventile sie schon zugedreht hatte. Sie begegnete den Angehörigen der erweiterten KendrickFamilie zu selten, um zu wissen, zu wem die Kinder gehörten. Anders als gewisse Dienstboten verschlang sie auch nicht jedes Wort, das über ihre Arbeitgeber geschrieben wurde. Der Einzige, der sie genug interessierte, um Berichte über ihn zu lesen, war Gabe.
Vielleicht brauchst du einen älteren Bruder, hatte er gesagt.
Den hatte sie nie gehabt, aber vermutlich sah sie in ihm schon einen.
Mit neun hatte sie ihn für den klügsten Jungen der Welt gehalten. Ein Jahr später war er für sie der Ritter in schimmernder Rüstung gewesen. Knöpfe klickten, als sie einen Timer nach dem anderen ausschaltete. Sie wusste noch, was für eine Angst sie gehabt hatte, als die älteren Kinder ihr an der Bushaltestelle das Geld für das Mittagessen abnehmen wollten. Sie erinnerte sich an Gabe. Daran, wie groß und tapfer er ihr erschienen war, als er ihr zur Hilfe kam.
Damals war er in Briarwood gewesen, der exklusiven Privatschule, die im Monat ein Vielfaches von dem kostete, was ihr Vater verdiente. Dass er zu spät zum Unterricht kommen würde, hinderte ihn nicht daran, anzuhalten und sie mitzunehmen. Minuten später ließ er sie direkt vor der ThomasJefferson Grundschule aus dem neuen Jaguar steigen, den seine Eltern ihm zu seinem sechzehnten Geburtstag geschenkt hatten.
Mit zehn hatte sie ihn vergöttert, als Teenager war sie in ihn verknallt gewesen.
Als junge Frau hatte sie Respekt vor ihm gehabt. Nach dem Tod ihres Vaters war sie ihm für seinen Trost und seine Unterstützung dankbar gewesen.
Er hatte ihr nicht nur über den Schmerz hinweggeholfen, sondern auch verhindert, dass ihre Mutter und sie aus dem Cottage des Obergärtners ausziehen mussten. Ihre Eltern wohnten dort, seit sie etwa zwanzig Jahre zuvor ihre Farm in Kentucky verloren und bei den
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