Entscheidungen
ihm diese Entscheidung abgenommen. Hatte er nun für mich entschieden?
Ich spürte, wie mir schwindelig wurde.
"Nein, du bist kein Vampir." Jonas Stimme klang beruhigend. "Du bist ein Mensch." Sie lächelte nachsichtig.
Sam sah mich nicht an.
"Aber… ich verstehe nicht." Ich war verwirrt.
"Sam hat dich zu mir gebracht. Ich war gerade erst von meiner Reise zurückgekehrt. Ich hatte ja, ehrlich gesagt, gehofft, wir hätten uns unter weniger dramatischen Umständen kennengelernt." Sie zwinkerte mir zu.
"Aber wie… was passiert jetzt mit mir?"
"Das wird sich zeigen. Aber ich denke, du kannst beruhigt sein. Die Sonne hat dir nicht geschadet. Wir waren uns nicht sicher…" Sie warf Sam einen bedeutsamen Blick zu. "Man kann das nie voraussagen. Aber es war unsere einzige Möglichkeit, dich zu retten. Diese oder die endgültige Verwandlung."
Ich schluckte schwer.
"Sam hat die einzig richtige Entscheidung getroffen. Ich bin Heilerin. Ich weiß, wie ich mit so einer Verletzung umgehen muss."
"Was heißt 'so eine Verletzung'?" Misstrauisch sah ich an mir hinunter. Der Hunter war auf mich gefallen, ich war gestürzt und er hatte mich verwundet mit… ja, mit was?
"Die Waffen des Hunters sind keine normalen Werkzeuge, sie bestehen aus reinem Silber und sie töten nicht nur Vampire. Du hast sehr viel Glück gehabt."
"Und wenn Sam mich in ein normales Krankenhaus gebracht hätte?", fragte ich tonlos.
"Ich denke nicht, dass sie dir hätten helfen können. Kein normaler Mensch weiß, wie man solche Wunden richtig versorgt. Das wissen nur wir Heiler."
Eine Heilerin, eine unsterbliche Heilerin. Mein Blick blieb an ihrem alten Gesicht hängen. Sie war einmal eine schöne Frau gewesen. Wie lange war das nun schon her?
Geschockt starrte ich aus dem Fenster hinaus in den sonnigen Nachmittag. Ich trug wieder meine Jeans. Meine Bluse und die Jacke hatten sie weggeworfen, zu sehr hatte ihnen das viele Blut meiner Verletzung zugesetzt. Stattdessen trug ich noch immer ein Hemd von Sam. Es war viel zu groß, doch ich bemerkte es kaum.
Vorbei . Ich hätte sterben können.
So wie all die anderen: Matt, Philipp, Joanne und Kylie, Jordan, Sams Dad.
Mein Kopf dröhnte.
Immer wieder betrachtete ich die kleine Narbe neben meinem Herzen. Sie war kaum noch zu sehen.
Jona musste eine verdammt gute Heilerin sein. Wo kam sie her? Wie lange war sie schon auf dieser Welt?
"Lily?" Ich fuhr herum.
Sam stand in der Tür. Unsicher suchten seine Augen meinen Blick.
Wir starrten uns einige Sekunden lang schweigend an.
"Geht es dir gut?"
"Ich weiß es nicht."
"Ich habe mit deinen Eltern gesprochen. Sie wollen dich sehen."
Meine Eltern!
An die hatte ich überhaupt nicht mehr gedacht! Sie hatten Sam gesehen! Was sollte ich ihnen nur sagen?
"Xander spricht gerade mit ihnen. Vanessa ist ebenfalls dort." Zögernd machte er einige Schritte auf mich zu.
"Was… sagen sie ihnen?"
"Die Wahrheit... soweit es möglich ist."
Meine Knie wurden weich. Was war die Wahrheit? Würden meine Eltern überhaupt begreifen, was sie da hörten? Dass Sam ein Vampir war? Und Xander? Und was war mit mir? Was war ich?
"Was bin ich?" Meine Stimme zitterte.
"Du bist Lily. Meine Lily." Er war sofort an meiner Seite und legte den Arm schützend um mich.
Ich spürte, wie ich mich augenblicklich versteifte.
"Bin ich gestorben?"
"Du warst… einige Minuten lang weg. Dann konnten wir dich aber wiederbeleben. Jona hat ganze Arbeit geleistet." Er ließ mich los.
"Ich verstehe nicht, wie das… möglich sein soll." Ich sah ihn geradeheraus an.
Er zuckte die Schultern. "Es war ein Glücksspiel. Es hätte genauso gut schief gehen können. Doch das ist es nicht… glücklicherweise."
"Hättest du mich… gebissen?"
Sam schwieg.
"Hättest du mich gebissen, wenn… es nicht geklappt hätte?", wiederholte ich die Frage.
"Ich… ja." Er hob den Blick. Seine Augen waren dunkel, fast schwarz. "Ich hätte es nicht ertragen können, dich zu verlieren."
Ich wusste, was er meinte. Ich hatte diese Entscheidung vor zwei Jahren für ihn getroffen und nun war Sam an der Reihe gewesen.
Vorsichtig streckte ich eine Hand aus und berührte seine Wange.
Er schloss die Augen.
"Ich hatte keine Wahl, Lily."
"Pst." Ich machte einen Schritt auf ihn zu und nahm sein Gesicht in beide Hände. Dann zog ich ihn zu mir hinunter und küsste ihn.
Seine Lippen fühlten sich vertraut an. Er schmeckte süßlich, doch ich hatte das Gefühl, dass der Geschmack intensiver war als sonst. Oder
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