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Entschuldigen Sie Meine Stoerung

Entschuldigen Sie Meine Stoerung

Titel: Entschuldigen Sie Meine Stoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Uwe Fitz
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sein könnte, rufen Sie mich an. Ich danke dann in seinem oder ihrem Namen. Wahrscheinlich gehe ich aber nicht ans Telefon. Mailen Sie mir lieber. Oder noch besser: Lecken Sie mich am Arsch.
    Jemand hält mir die Tür auf? Ich bleibe stehen, bedanke mich überschwänglich und beantworte seine Nettigkeit, indem ich ihm wiederum die Tür aus der Hand nehme und sie meinerseits ihm aufhalte. Und das, obwohl ich schon durch die Tür hindurchgegangen war. Ich komme extra wieder zurück. Manch einer kann mit so viel Freundlichkeit nicht umgehen und zieht verstört von dannen, solche Menschen gibt es, aber ein anderer revanchiert sich vielleicht und öffnet mir sofort eine weitere nahe gelegene Tür – durch die ich dann dankbar strahlend hindurchgehe. Obwohl ich eigentlich etwas anderes vorhatte und die Tür gar nicht auf meinem Weg liegt. Woraufhin ich mich nicht lumpen lasse und ihm sogleich eine dritte beliebige Tür öffne. So betreten wir Gebäude über Gebäude, auch wenn wir das ursprünglich gar nicht vorhatten.
    Nicht nur bei Prostituierten, auch beim Bäcker zügle ich mitunter meine Dankbarkeit. Reicht er mir meine Brötchen, bedanke ich mich nur kurz, schließlich möchte ich die nachfolgenden Kunden nicht aufhalten. Manchmal aber weist mich der Bäcker noch auf ein besonderes Angebot hin, zum Beispiel sechs Brötchen zum Preis von fünf – das wäre mir ohne seinen Hinweis glatt entgangen. Also nehme ich sechs Brötchen statt zwei – und bedanke mich überschwänglich. So lange und intensiv, bis der Bäcker sagt »Nun ist es aber gut« oder ein Kunde hinter mir »Was bist du denn für ein Arsch?« Dann stelle ich klar: »Ein dankbarer!«
    An guten Tagen gebe ich dem Bäcker aus Dankbarkeit für den Tipp sogar ein Trinkgeld. Für gewöhnlich in der Höhe des Betrags, den ich gerade eingespart habe.
    Natürlich hat meine exzessive Dankbarkeit etwas mit Unsicherheit zu tun. Wie viel Dankbarkeit ist wann wofür angebracht? Über diese Frage zermartere ich mir den Schädel. Würde die Gesellschaft für Normierung endlich eine DIN -Richtlinie herausgeben, die definiert, wie lange ich mich wofür zu bedanken habe, ohne undankbar zu scheinen oder zu übertreiben, würde mir das mein Leben erleichtern, und ich litte nicht ständig unter einem unguten Gefühl. Dann würde ich mich einfach so oft bedanken wie vorgeschrieben und mich anschließend verabschieden. Zwölf Mal.

6
    Ich möchte mich an dieser Stelle bei Ihnen bedanken. Dafür, dass Sie dieses Buch bis hierher gelesen haben. Das ist nicht selbstverständlich, denn Sie haben Ihre Zeit ja auch nicht gestohlen. Und man kann über dieses Buch vieles sagen, aber sicher nicht, dass es vielversprechend beginnt. Ich bin sehr glücklich und vor allem überrascht, dass Sie noch dabei sind. Ich hatte Angst, dass Sie das Buch schon nach wenigen Zeilen in die Ecke feuern würden, ja selbst jetzt rechne ich noch jede Sekunde damit und gestehe: Es setzt mir zu. Ich fürchte Ihre Reaktion. Die Angst lähmt mich. Im Moment bin ich paralysiert. Keine Ahnung, ob ich auch nur einen weiteren Satz schreiben kann.
    Doch, geht. Kein toller Satz. Aber immerhin.
    Mir fiele alles leichter, wenn ich angstfrei wäre. Aber versuchen Sie mal, angstfrei ein Buch über Ihre Ängste zu schreiben. Um diese Zeilen zu Papier zu bringen, habe ich sogar meine angsthemmenden Medikamente abgesetzt. Mein Gott, geht es mir gerade übel.
    Tun Sie mir einen Gefallen: Sollten Sie das Buch im Laufe der Lektüre wutentbrannt oder enttäuscht in die Ecke feuern, lassen Sie es mich nicht wissen. Schreiben Sie es auch nicht ins Internet. Nicht auf Amazon, Twitter oder Facebook und nicht in irgendwelche Foren. Dort finde ich es nämlich garantiert. Weil ich ständig meinen Namen google. Von mir aus teilen Sie Ihren Freunden und Bekannten gern mündlich oder in E-Mails bzw. Briefen mit, was für einen Dreck Sie hier lesen mussten. Tragen Sie es gern in die Welt hinaus, reden Sie so schlecht wie möglich über mein Geschreibsel. Ich gehe ohnehin davon aus, dass Sie hinter meinem Rücken kein gutes Haar an mir lassen. Tue ich ja selbst nicht. Ich möchte es nur nicht erfahren. Ich würde es gern weiter verdrängen. Mit der Hoffnung leben, dass alles OK ist. Sonst werde ich traurig.
    Gern können Sie in Ihrer Korrespondenz auch erwähnen, wie ungeschickt ich das Stilmittel der Rahmenhandlung einsetze. Sie erinnern sich? Die Szene im Zug. Am Anfang des Buches. Eigentlich befinde ich mich ja gerade im

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