Entschuldigen Sie Meine Stoerung
Auftragsmord.«
»Probieren Sie es jetzt noch einmal?«
»Nein, ich habe mich entschlossen, Sie zu verschonen und am Leben zu lassen. Nach allem, was ich gehört habe, bin ich überzeugt: Die größte Strafe für Sie ist, Sie weiter am Leben zu lassen.«
»Aber es geht mir deutlich besser als noch vor einigen Wochen.«
»Egal. Ihr Leben ist immer noch beschissen.«
»Da haben Sie natürlich recht. Aber was werden Ihre Auftraggeber dazu sagen, dass Sie mich am Leben lassen? Die Kautges bezahlen Ihnen bestimmt viel Geld dafür, dass Sie mich töten.«
»Die Kautges wissen Bescheid. Ich hatte mein Handy während Ihrer Selbstgespräche die ganze Zeit eingeschaltet. Familie Kautge hat alles mitgehört und ist mit mir einer Meinung. Ihr Leben ist für meine Auftraggeber Rache genug.«
»Oh, ich hoffe, ich habe nicht zu wehleidig geklungen. Heute beklagen sich ja Krethi und Plethi über ihr Leben. Nicht dass ich mit denen in einen Topf geworfen werde.«
»Eine Frage noch: Hatten Sie eigentlich nie etwas mit Frauen? Davon haben Sie gar nichts erzählt.«
»Doch, aber das ist eine andere Geschichte. Die würde den Rahmen dieser Zugfahrt sprengen.«
»Ich hoffe, das mit den Frauen lief auch katastrophal?«
»O ja. Sehr.«
»Dann ist gut. Sonst hätte ich Sie doch noch töten müssen.«
»Nein, nein, keine Angst. Alles sehr schlimm, und ich leide immer noch darunter wie ein Hund.«
»Dann ist es ja gut.«
»So, wir rollen in Kassel-Wilhelmshöhe ein. Ich verabschiede mich dann mal, Herr Menke. Hat mich nicht gefreut.«
»Sie wohnen in Kassel? Klingt auch nicht nach einem angenehmen Leben.«
»Ist schon OK . Ich bin ziemlich abgestumpft. Ich empfinde nichts mehr.«
»Na, Sie haben’s gut. Ich empfinde noch sehr viel. Mir tun Menschen schnell leid. Sie komischerweise nicht. Ihnen gönne ich den ganzen Mist. Seltsam. Ich bin sonst gar nicht so. Passiert Ihnen das vielleicht öfter?«
»Von Zeit zu Zeit. Im Sinne von ständig.«
»Darf ich Ihnen zum Abschied noch einen Tipp geben? Ich war früher mal Sachbuchautor für an den Haaren herbeigezogene Lebensratgeber ohne Hand und Fuß. Darin habe ich meinen Lesern immer nur einen Tipp gegeben, aber viele Worte darum gemacht: Wenn Sie den Kontakt zu sich selbst verloren haben, wenn Sie an einem Punkt im Leben stehen, an dem Sie nicht mehr weiterwissen – schreiben Sie einen Brief an Ihr Leben. Probieren Sie das auch mal. Und wenn es Ihnen irgendwann besser gehen sollte, rufen Sie mich einfach an. Dann bringe ich Sie doch noch um.«
»Mach ich. Danke. Und wie finde ich Sie?«
»Hier ist meine Karte.«
» Menke. Auftragsmorde und Rachefeldzüge aller Art . Ach? Rachefeldzüge unternehmen Sie auch?«
»O ja, das kann ich wie kein Zweiter.«
»Gut zu wissen. Ich kenne da ein paar Millionen Leute, an denen ich mich gern rächen würde. Ohne dass sie mir etwas getan haben.«
»Dann bin ich Ihr Mann.«
»Also, schönes Leben noch.«
»Ihnen nicht.«
Brief an mein Leben
Kuckuck, Geilhans! Sicher wird Dich diese Anrede überraschen, liebes Leben. Denn man kann Dir alles nachsagen, aber nicht, dass Du geil bist.
Ich erinnere mich noch an den Tag, an dem ich Dich das erste Mal bewusst wahrgenommen habe. Ich stand als Dreijähriger vor der Ahnentafel im Haus meiner Eltern und war fünf Jahre alt. Mein Vater gab mir eine Ohrfeige nach der anderen und sagte immer wieder »Komm endlich zu Dir. Höchste Zeit, Dich selbst wahrzunehmen.« Mit einem »Aua! Mensch, ey!« begann der bewusste Teil meines Lebens. Und auch die ersten Worte hatte ich soeben gesprochen.
»Elvira! Jan-Uwe hat gerade gesprochen!«, höre ich meinen Vater brülllen, als sei es gestern gewesen.
»Was hat er denn gesagt?«, schrie meine Mutter aus der Küche zurück.
»Er will wissen, wann das Mittagessen fertig ist.«
»Das will er gar nicht. Das hast Du ihm in den Mund gelegt. Du willst wissen, wann das Essen fertig ist.«
»Will ich nicht. Warte, ich bitte ihn, lauter zu fragen.«
Mein Vater verlangte so laut, dass es auch meine Mutter im anderen Zimmer hören konnte:
»Los, Jan-Uwe, frag noch mal, aber lauter.« Dann imitierte er mich mit hoher Fistelstimme: »Mami, wann gibt es denn Mittagessen?«
»Das warst du selbst, Jupp«, ließ sich meine Mutter nicht ins Bockshorn jagen.
Ach ja. Erinnerungen. Liebes Leben, ich habe Dich von Anfang an abgelehnt. Du warst immer so verletzend, so schmerzhaft, und jedes Mal, wenn ich dachte »Oh, super!«, sagtest Du »Nein, Scheiße! Warte nur noch
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