ENTSEELT
es dann für einen Vampir, dessen bloße Berührung schon eine Vergiftung bedeutet, ein unschuldiges Kind zu zeugen? Nein, Janos war kein wahrer Vampir, aber er hatte das üble Blut der Vampire. Das und meine schlechten Eigenschaften im Überfluss, aber fast nichts von meiner Anpassungsfähigkeit und nicht die Spur von meiner Vorsicht. Andererseits war ich in jungen Jahren auch ein Dickkopf gewesen; ich war sein Vater und meine Aufgabe war es, ihm zu zeigen, wie die Dinge liefen. Ich habe ihn das gelehrt, und in den Fällen, wo eine harte Hand nötig war, um ihn zu bremsen oder in eine andere Richtung zu lenken, sparte ich auch damit nicht.
Aber seine Erziehung verlief trotzdem in die falsche Richtung. Er wurde stolz, stur und grausamer, als notwendig war. Sein einzig guter Charakterzug, wo er sich treu an das hielt, was ich ihn gelehrt hatte, war die Art, wie er die Zigeuner beherrschte. Nicht nur die Szgany Zirra, das Volk seiner Mutter, das wieder anwuchs, auch meine eigenen Szgany Ferengi. Ich glaubte, dass sie alle ihn mehr liebten als mich. Vielleicht kränkte mich das, und vielleicht war ich ein wenig eifersüchtig auf ihn. Es könnte sein, dass ich ihn deswegen härter angefasst habe als nötig.
Na ja, eines muss ich noch zu seinen Gunsten sagen, auch wenn es das Letzte ist: Er liebte seine Mutter. Etwas, das jedem Kind gut ansteht, solange es noch ein Kind ist, ja ... aber nicht mehr unbedingt dann, wenn er zu einem Mann wird. Es gibt die eine Art der Liebe und die andere. Du wirst noch verstehen, was ich meine ...
Währenddessen hatten sich um uns herum andere Schwierigkeiten zusammengebraut, waren übergekocht und versengten noch immer die Welt. Zehn Jahre zuvor hatte Saladin die Königreiche der fränkischen Kreuzritter überrannt. Der hinterhältige Söldner Thibor focht jetzt an den entfernten Grenzen der Walachei; ein Wojwode im Sold von Marionettenfürsten. Im Reich der Türken jenseits der großen See rasten die Mongolen wie ein vom Wind angefachter Buschbrand durch das Land. Kriege tobten in der Nähe der ungarischen Grenzen, und ein weiterer Innozenz – der dritte, der die Unschuld in seinem Namen führte – war zum Papst gewählt worden. Halali! Die Blitzstrahlen flammten rot aus den vielen Wolken, die an den Horizonten der Welt aufzogen!
Und wo war da Faethor Ferenczy in dieser Zeit des Umbruchs? Auf seinem Alterssitz, müssen damals einige gedacht haben, auf seinem Schloss in den Bergen, wo er seinem Bastard Manieren beibringt und wo seine einstmals treuen Szgany zu viel trinken, den Tag verschlafen und sich hinter seinem Rücken über ihn lustig machen.
Es vergingen weitere Jahre und in meinem Leben veränderte sich nichts. Aber dann, eines Morgens, wachte ich auf, schüttelte den Kopf und sah mich um. Ich fühlte mich wie betäubt, eingeschlossen, verwirrt. Zwanzig Jahre waren vergangen wie ein Augenblick, und ich hatte davon fast nichts bemerkt. Aber jetzt fiel es mir auf. Es war eine Art Lethargie gewesen, eine Trägheit, ein seltsamer Zauber, der mich eingelullt hatte – etwas, das gewöhnlichere Menschen ›Liebe‹ nennen. Und wohin hatte es mich gebracht? Wo war jetzt das, was mich ausmachen sollte? Was war ich denn? Nur noch ein armseliger Bojar. Ein obskurer Baron über einen Landstrich, den niemand sonst wollte; der Herr eines mickrigen Steinhaufens in den Felsen.
Ich ging zu Marilena, und sie sah in meine Zukunft. Ich sei im Begriff, auf einen großen blutigen Kreuzzug zu ziehen, erklärte sie mir, und sie werde mir dabei nicht im Weg stehen. Diese Prophezeiung blieb mir schleierhaft. Sie würde mir nicht im Weg stehen? Aber sie ertrug es nicht, von mir getrennt zu sein. Von welchem Kreuzzug sprach sie? Aber sie schüttelte nur den Kopf. Sie hatte gesehen, dass ich in einem schrecklichen Heiligen Krieg kämpfen würde, und danach ... all ihre seherischen Fähigkeiten, die Handlesekunst und die Astrologie ließen sie da offenbar im Stich. Ach! Wie hätte ich wissen können, dass sie auch ihre eigene Zukunft gesehen hatte, nur um festzustellen, dass sie gar keine hatte?
Aber ein großer, blutiger Kreuzzug, hatte sie gesagt. Ich dachte darüber nach und kam zu dem Schluss, dass sie recht haben könnte. Die Nachrichten verbreiteten sich in diesen Tagen nur sehr langsam und manchmal erreichten sie mich auch gar nicht. Ich fühlte mich plötzlich wie eingesperrt, und all meine alten Frustrationen überfielen mich schlimmer als je zuvor.
Es reichte! Es war an der Zeit, mich
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