ENTSEELT
Träumen kannte.
»Ich bin Marilena, mein Herr«, sagte sie. »Vergebt meinem Vater, denn er liebt mich und sorgt sich um mich. In den Landen dort draußen gibt es einige, die sich vor Dingen fürchten, die sie nicht verstehen, und den Frauen, die man gemeinhin als ›Hexen‹ bezeichnet, Arges wollen.«
Mein Herz setzte einen Schlag aus! Das konnte niemand anderes sein! Ich kannte diese Stimme! Ich sah durch all die Kleidung hindurch die Prinzessin meiner Träume, und ich wusste, dass das, was darunter lag, unbeschreiblich war. »Ich ... ich kenne dich!« Meine Stimme stockte.
»So wie ich Euch, mein Herr. Ich habe Euch in meiner Zukunft gesehen. Sehr oft. Ihr seid mir in keiner Weise fremd!«
Mir fehlten die Worte. Oder wenn sie da waren, dann wollten sie sich nicht aus meiner Kehle lösen. Aber ... Ich war der Ferenczy! Sollte ich etwa tanzen, laut herausplatzen, sie aufheben und herumwirbeln? Genau das wollte ich tun, aber ich durfte meine Gefühle nicht zeigen. Ich stand da, wie vom Donner gerührt, wie ein Trottel, bis sie mir zu Hilfe kam: »Wenn Ihr wollt, dass ich Euch die Zukunft vorhersage, mein Herr, dann bringt mich fort von hier. Hier fehlt mir die Konzentration, denn hier ist so viel Kummer. Und das ständige Kommen und Gehen und die Geschäftigkeit, all diese kleinen Dinge stören meine seherischen Fähigkeiten. Ein Zimmer nur für uns beide wäre da von Nutzen.«
Wäre es das? Ganz bestimmt! »Komm mit mir!«
Ihr Vater trat dazwischen: »Mein Herr! Sie ist unschuldig!« Das letzte Wort endete auf einer Hebung – war das vielleicht ein Flehen? Den Szgany war meine Natur nicht unbekannt.
Aber kannte er denn seine eigene Tochter nicht? Die Antwort lag mir auf der Zunge: Du verlogener Zigeunerhund! Was, die hier soll unschuldig sein? Verdammt, sie hat meinen ganzen Körper abgeschleckt, als wäre ich gebadet worden! Sie hat mich einen Monat lang jede Nacht mit ihrer Zunge und diesen winzigen vierfingrigen Händen so traktiert, bis ich mich in ihre Kehle ergossen habe! Unschuldig? Wenn sie unschuldig ist, dann bin ich das auch! Aber wie konnte ich ihm so etwas sagen? Schließlich hatte ich meine Liebesbeziehung zu Marilena immer nur geträumt.
Wieder kam sie mir zu Hilfe.
»Vater!«, rügte sie ihn, bevor ich mehr tun konnte, als ihm einen finsteren Blick zuzuwerfen. »Ich habe gesehen, was sein wird. Ich kenne die Zukunft, und ich habe keine Gefahr in ihr gesehen. Nicht durch die Hände des Ferenczy.«
Aber er hatte meinen Blick gesehen und wusste, wie weit er meine Gastfreundschaft strapaziert hatte. »Vergebt mir, mein Herr«, sagte er und senkte den Kopf. »Statt als Mann, der tief in Eurer Schuld steht, sprach ich nur als Vater. Meine Tochter ist erst siebzehn, und wir befinden uns unter Fremden. Die Zirras haben an diesem Tag genug verloren. Oh! Oh nein! Ich wollte damit nichts andeuten! Aber seht nur, wie es um mich steht! Ich stolpere über meine eigene Zunge. Das ist der Schmerz. Mein Verstand ist benebelt. Ich wollte nichts sagen. Es ist nur der Schmerz!« Weinend brach er zusammen.
Ich beugte mich ein wenig hinunter und legte ihm meine Hand auf den Kopf. »Sei unbesorgt. Jeder, der dir im Haus des Ferenczy einen Schaden zufügt, wird sich vor mir verantworten müssen.« Und dann führte ich sie zu meinen Gemächern.
Als wir dort waren, allein, wo niemand uns zu stören wagte, schälte ich sie aus ihren Fellen, bis sie in ihrem einfachen Kleid vor mir stand. Jetzt ähnelte schon eher der Prinzessin, die ich kannte, aber noch nicht genug. Meine Augen verzehrten sie, gierten nach ihrem Anblick. Und sie wusste das.
»Wie kann das sein?«, fragte sie erstaunt. »Ich kenne Euch wirklich! Meine Träume waren nie so deutlich wie bei Euch!«
»Du hast recht«, sagte ich. »Wir sind uns nicht fremd. Wir haben die gleichen Träume geteilt.«
»Ihr habt gewaltige Narben«, sagte sie, »hier auf Eurem Arm und da an der Seite.« Und selbst ich, der Ferenczy, erbebte, als sie mich dort berührte.
»Und du«, erwiderte ich ihr, »hast ein kleines rotes Mal, wie einen einzelnen Blutstropfen, mitten auf dem Rücken ...«
Neben dem Feuer, das in dem gewaltigen Kamin prasselte, stand ein steinerner Waschzuber. Über dem Feuer vermengte ein großer Wasserkessel seinen Dampf mit dem Rauch. Sie ging hinüber zu dem Gestell und betätigte den Hebel, der das Wasser in den Zuber laufen ließ. Sie wusste aus ihren Träumen, wie man die Apparatur betätigte. »Ich bin schmutzig nach der Reise«,
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