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ENTSEELT

ENTSEELT

Titel: ENTSEELT Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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gewährt, mein Herr Spion?«
    »Ich ... ich war bei niemandem«, antwortete Harry, was nicht so ganz stimmte. Er deutete auf seine Reisetasche. »Ich habe im Freien übernachtet. Mein Schlafsack ist da drin.«
    Der Größere nahm ihm die Tasche ab und öffnete sie. Er zog den Schlafsack heraus. Er hatte ein paar Schlamm- und Grasflecken. Jetzt wirkte das Gesicht des Geheimpolizisten nicht mehr so ausdruckslos. Er schien verblüfft, wenn auch nur für einen Moment. »Ich verstehe«, sagte er dann. »Dein Kontaktmann ist nicht aufgetaucht, und du musstest dich den Gegebenheiten anpassen. Na gut, vielleicht erklärst du uns dann, wen du eigentlich treffen solltest?«
    »Niemanden«, sagte Harry, während sich langsam eine Idee in ihm formte. »Schlafen im Freien ist einfach billig und ich mag die frische Luft, das ist alles. Und außerdem, was geht euch das an? Ihr habt meinen Pass gesehen und wisst, wer ich bin, aber wer zum Teufel seid ihr? Wenn ihr Polizisten seid, will ich eure Ausweise sehen.«
    Während sie verdutzt erst ihn und dann sich gegenseitig anstarrten, sprach er mit seiner einzigartigen Fähigkeit die Geister seiner neuen Freunde auf dem Friedhof ein paar hundert Meter hinter ihm an. Er wandte sich lautlos an Ion und Alexandru Zaharia, und seine Botschaft war einfach und präzise: Ich werde von zwei Männern bedroht. Es sind Landsleute von euch, fürchte ich: Securitate. Ohne eure Hilfe bin ich erledigt! Er kam nur so weit, dann trat der Kleine ihn in den Unterleib. Harry sah es kommen und es gelang ihm, die größte Wucht abzublocken, aber er klappte trotzdem zusammen und krümmte sich in gespielter Agonie im Staub der Straße.
    »Da!«, sagte der Langsame ohne eine Regung in der Stimme. »Das kommt davon. Du wolltest es ja nicht anders! Du hast Corneliu verärgert! Harry Keogh, du musst wirklich etwas kooperativer sein. Unsere Geduld ist nicht unerschöpflich.« Er ging zum Heck des Autos, öffnete den Kofferraum und warf Harrys Gepäck hinein. Aber den gefälschten Pass steckte er in die eigene Tasche.
    Was können wir denn tun, Harry? Ion Zaharias eifrige Stimme drang zu ihm durch, während er auf der Seite lag und versuchte, Zeit zu schinden. Wir könnten versuchen ... aber nein, du bist zu weit weg. Wir würden nie schnell genug zu dir hinkommen.
    Nein, antwortete Harry. Ihr bleibt da, wo ihr seid. Ihr müsst euch nur ausgraben, das ist alles. Ihr und jeder andere, der – na ja, jeder, der noch einigermaßen in Schuss ist – und der mir helfen will. Aber reibt euch nicht damit auf, dass ihr zu mir kommt. Ich glaube, ich weiß, wie ich diese Mistkerle zu euch bringen kann.
    »Die Jacke!«, fauchte ihn der Kleinere der beiden an. »Tempo!«
    Harry setzte sich auf und begann, die Jacke von den Schultern zu streifen, da wurde sie ihm auch schon vom Rücken gerissen.
    »Das ist alles mehr als enttäuschend«, sagte der andere, der jetzt nicht mehr langsam, sondern vielmehr eingebildet und arrogant wirkte. »Wir haben wirklich gedacht, wir müssten dich erschießen. Was haben die uns doch für Wunderdinge über dich erzählt! Was für Probleme du unseren Kollegen auf der anderen Seite der Grenze bereitet hast! Aber besonders gefährlich scheinst du mir ja nicht zu sein, Harry Keogh. Sollte dein Ruf übertrieben sein?«
    Harry hatte jede Hoffnung aufgegeben, sich herausreden zu können. Sie wussten sehr genau, wer er war, wenn auch nicht unbedingt, was er war. »Das war alles vor langer Zeit, als ich noch jünger war. Heute bin ich nicht mehr so dumm. Ich weiß, wann ich verloren habe.«
    Ein LKW mit offener Ladefläche rumpelte in Richtung Bukarest an ihnen vorbei. Auf der Ladefläche, auf ringsherum angebrachten Bänken, saßen sich zwei Reihen von Männern und Frauen gegenüber, vor allem ältere Bauersleute. Aus ihren Augen war jeder Funken Hoffnung gewichen; sie warfen kaum einen Blick auf Harry, der im Straßenstaub kniete und von zwei Schlägern bedroht wurde. Sie hatten ihre eigenen Probleme. Sie gehörten zu den Verzweifelten, den Heimatlosen; ihr Leben war ruiniert durch Ceausescus blindwütige, rücksichtslose Agrarpolitik.
    »Ja, ja, verloren hast du ganz zweifellos, mein Freund«, fuhr der Große fort. »Du weißt doch, dass du wegen Spionage, Sabotage und Mord gesucht wirst, oder? Wie es scheint sogar wegen vielfachem Mord!« Er zog Handschellen heraus. »Das klingt alles so bedrohlich, dass ich es für besser halte, wenn wir deine Bewegungsfreiheit ein wenig beschneiden. Man kann nie

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