ENTSEELT
sieht es aus?
Alles in Ordnung, Harry. Hier war niemand, und die beiden haben keine Probleme gemacht. Der Große ist irgendwann ohnmächtig geworden. Sein kleiner Freund kam wieder zu sich, hat sich umgesehen und ist sofort wieder umgefallen.
Ion, Alexandru und all ihr anderen – ich weiß nicht, wie ich euch danken soll!
Das brauchst du auch nicht. Können wir die beiden jetzt einfach so liegen lassen und uns wieder eingraben?
Harry nickte reflexartig. Er stellte seinen Sitz in Liegeposition und lehnte sich zurück. Die Toten auf dem rumänischen Friedhof empfingen seine Botschaft trotzdem und verteilten sich wieder auf ihre Gräber. Noch einmal: Danke!, sagte Harry und zog seine Gedanken zurück, um sich ein wenig Ruhe zu gönnen. Zum ersten Mal seit ... auf jeden Fall seit mehr als einem Tag.
Es gibt nichts zu danken, war die Antwort.
Harry versuchte, Faethor zu erreichen. Wenn er die anderen so gut empfangen konnte, dann sollte die Kommunikation mit dem vor langer Zeit gestorbenen Vater der Vampire auch kein Problem darstellen. Nach ein paar Sekunden der Konzentration kam er durch.
Harry? Ich sehe, du bist in Sicherheit. Das war ganz schön raffiniert von dir.
Du hast gewusst, dass ich in Schwierigkeiten war?
Ein mentales Achselzucken. Wie ich schon sagte: Manchmal höre ich bestimmte Dinge, die nicht für mich bestimmt sind. Willst du etwas von mir?
Ich finde, wir könnten ein bisschen Zeit sparen, meinte Harry. Ich habe gerade nichts zu tun, und in Kürze werde ich wieder in netter Gesellschaft und ziemlich abgelenkt sein – nicht dass ich mich deswegen beschweren wollte. Ich dachte nur, es würde ganz gut passen, wenn du mir jetzt den Rest von Janos’ Geschichte erzählen würdest.
Da gibt es nicht mehr viel zu erzählen. Aber wenn du möchtest ...
Es wäre nett von dir.
Na gut, mein Sohn. Faethor seufzte. So sei es.
Wie ich schon erzählt habe, war ich dreihundert Jahre lang fort. Drei blutige Jahrhunderte! Der Große Kreuzzug war nur der Anfang; danach diente ich Dschinghis Khan, und dann seinem Enkel Batu. 1240 war ich an der Eroberung Kiews beteiligt und ergötzte mich daran, wie es bis auf die Grundmauern niederbrannte. Schließlich war es an der Zeit zu »sterben« ... und als Fereng der Schwarze, der Sohn des Fereng, zurückzukehren! Und dann, unter Hülegü im Jahr 1258 erstürmten wir Bagdad. Was waren das für Jahre des Mordens, Brandschatzens und Plünderns!
Aber mit den Mongolen ging es bergab, und um die Jahrhundertwende hatte ich mich von ihnen losgesagt und kämpfte für den Islam. Oh ja, ich war ein Osmane! Ich, ein Türke, ein moslemischer Ghazi! Was macht man nicht alles als Söldner, nicht wahr? Und mit den Türken suhlte ich mich in Blut und Tod und ergötzte mich an der schieren Lust des Krieges für weitere hundertfünfzig Jahre. Aber zum Schluss hatte ich doch zu lange bei ihnen gelebt und war daher gezwungen, ihrer Sache zu entsagen. Was soll’s, damit ging es sowieso zu Ende.
Schließlich kam ich also zurück und vernichtete Thibor, wie du ja bereits gehört hast, und dann begab ich mich in die unveränderten und unveränderlichen Berge, um Janos aufzusuchen und zu sehen, wie gut er sich um mein Haus gekümmert hatte.
Währenddessen hatte ich jedoch meine Ohren offen gehalten. Und du kannst dir sicher sein, Wamphyri-Ohren sind scharf und ihnen entgeht sehr wenig. Und die meinen hatten immer auf Nachrichten über meine Söhne gelauscht, Thibor und Janos. Was aus dem ersten geworden ist, wissen wir. Und der andere?
Während Thibor nach Blut gelechzt hatte, war Janos einfach nur gierig gewesen. Während meiner Abwesenheit hatte er sich mit vielen Dingen beschäftigt, aber in erster Linie hatte er sich als Dieb betätigt, als Pirat, als Korsar. Überrascht dich das? Das sollte es aber nicht. Die Piraterie an der Barbarenküste geht auf einige unbedeutende Barone zurück, die sich in den Zeiten der christlich-moslemischen Auseinandersetzungen während der Kreuzzüge auf diese Art ein Vermögen verdienten. Und das war dann auch Janos’ wichtigste Beschäftigung in der ganzen langen Zeit gewesen. Er war ein Dieb im großen Stil und plünderte entlang der Küsten des Mittelmeers die aus, die andere ausgeplündert hatten.
Und jetzt ist er also wieder ein Seemann? Na ja, warum auch nicht? Der Kerl kennt die See sehr gut, und hat jetzt einen Beruf daraus gemacht, Schätze vom Meeresgrund und den umliegenden Inseln zu bergen. Pah! Wer sonst könnte denn wissen, wo man
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