Entsetzliches Gleichmaß
Ironie.
»
Mein
Vater«, begann Ghemor, »war nahezu ein Vierteljahrhundert lang das brutale, erbarmungslose Oberhaupt des Obsidianischen Ordens. Wegen ihm wurde ich Agentin. Wegen ihm wandte ich mich gegen die Allianz. In gewisser Weise ist er, schätze ich, für meine Anwesenheit hier verantwortlich.«
»Und das Armband Ihrer Mutter?«
Sie sah es vor ihrem geistigen Auge: geschmolzen an einem verkohlten Handgelenk. Sie wusste noch, wie sie geschrien hatte, als Ataan sie vom qualmenden Leichnam ihrer Mutter wegzerrte. Ihr sagte, sie müssten fliehen …
»Ich bin mir nicht sicher, was aus ihm wurde«, sagte Ghemor. »Ich habe es seit Jahren nicht gesehen.« Sanft legte sie das Armband zurück und wandte sich wieder zu Kira um. »Also, wie möchten Sie anfangen?«
Kira deutete auf einen Stuhl, der an der langen Seite des Esstisches stand. Iliana setzte sich, der Captain nahm ihr gegenüber Platz. »Warum sind Sie hier?«, fragte Kira.
»Das ist die falsche Frage.«
Die Bajoranerin stutzte. »Wie lautet die richtige?«
»Was geschah wirklich mit der Iliana Ghemor dieses Universums?«
»Wissen Sie es?«
»Ich weiß so einiges«, entgegnete Ghemor. »Ich weiß zum Beispiel, dass sie den Auftrag hatte, heimlich den bajoranischen Widerstand zu infiltrieren. Sie bekam Ihr Aussehen verpasst – nicht nur, um ihre wahre Identität zu vertuschen, sondern, weil sie Sie ersetzen sollte.«
Kira erwiderte zunächst nichts, schien aber zunehmend die Geduld zu verlieren. »Diese Lüge habe ich schon einmal gehört«, sagte sie schließlich. »Sie wurde nie bewiesen.«
»Und doch war sie keine Lüge«, beharrte Ghemor. »Nicht gänzlich.«
»Ich vermute, Sie sagen mir jetzt, es sei im Gefängnis Elemspur geschehen.«
»Das ist richtig.«
»Aber ich war nie in Elemspur. Man hat mich nie durch eine cardassianische Agentin ausgetauscht.«
»Aber Sie
sollten
ersetzt werden«, erklärte Ghemor ruhig. »Glauben Sie etwa, die Ähnlichkeit zwischen Ihnen und meiner Doppelgängerin – zwischen Ihnen und
mir
– habe bei der ihr übertragenen Aufgabe keine Rolle gespielt?«
Abermals zögerte Kira. »Als Sie Vaughn und Tenmei retteten, sagten Sie, Gul Dukat habe den Plan des Obsidianischen Ordens, mich durch Iliana zu ersetzen, vereitelt.«
»So ist es.«
»Warum sollte er so etwas tun?«
»Ich habe keine Ahnung«, log Ghemor. »Und ich kann nicht behaupten, dass mich seine Motive sonderlich interessieren.«
»Sie haben keine Ahnung?«, wiederholte Kira mit offenkundiger Skepsis. »Wirklich nicht?«
»Wenn ich raten sollte, würde ich sagen, es hatte wohl mit Ihrer Mutter zu tun … Meru, richtig? Soweit ich weiß, war sie eine Weile seine Trostfrau.« Sie sah, wie sich Kiras Miene verfinsterte.
Ich scheine einen Nerv getroffen zu haben. Das muss ich mir merken
. »Also ist es wahr?«
»Ja«, sagte Kira leise. »Aber sie war schon seit Jahren tot, als Iliana nach Bajor kam. Sie war nie in einer Position, Dukat zu meinen Gunsten zu beeinflussen, falls es das ist, was Sie hier andeuten wollen.«
»Sie unterschätzen die Sentimentalität meines Volkes«, beteuerte Ghemor. »Aber vielleicht haben Sie auch recht. Vielleicht ging es weniger darum, Ihnen zu helfen, als darum, jemand anderem wehzutun. Oder es gibt eine ganz andere Erklärung. Aber ist das überhaupt noch wichtig? Macht es einen Unterschied?«
»Lassen Sie mich Ihnen sagen, was ich denke.« Kira erhob sich wütend. »Ich denke, Sie arbeiten für die Intendantin. Ich denke, sie steckt hinter all dem, und Sie präsentieren uns Ihre Irrsinnsgeschichte, um uns von ihrem eigentlichen Plan abzulenken. Oder Sie sind hier, um uns in eine Falle zu locken.«
»Eine absolut logische Annahme«, gab Ghemor zu. »Und außerdem falsch.«
»Was wurde aus Ihrer Doppelgängerin? Wo hat sie all die Jahre gesteckt? Und was will sie jetzt?«
»Ich habe nicht alle Antworten, Captain. Aber ich weiß, dass sie vollkommen wahnsinnig ist – und sehr gefährlich. Sie denkt immer noch, sie sei Sie.«
»Nach all dieser Zeit? Nach sechzehn Jahren?«
»Das ist einer der Gründe für ihren Wahnsinn, Captain. Sie wurde nie reaktiviert. Die Galaxis unterscheidet sich stark von der in ihren Erinnerungen, und sie glaubt, Sie leben das Leben, das rechtmäßig ihres ist.«
»Dann geht es hier einzig und allein um mich? Deswegen versuchte Taran’atar, mich und meine Sicherheitschefin zu töten? Aus Rache?«
»Es geht um viel mehr als das«, sagte Ghemor. »Wie ich Ihrer Lieutenant Dax
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