Entsetzliches Gleichmaß
einen Cardassianer, der sich die Zeit genommen hat, ihre Sprache zu lernen. Was meinst du?«
Eine direkte Frage. So viel zu ihrem Wunsch, das Thema zu wechseln. »Ich finde die Idee gut«, sagte Iliana. »Du solltest sie Pirak gegenüber erwähnen. Vielleicht macht er daraus eine Verpflichtung für alle seine Untergebenen.«
Ataan lachte. »Und sterbe im Feuer meiner eigenen Kameraden? Nein danke.«
Ihre Augen verengten sich. »Ah, verstehe. Pirak will den Bajoranern die Hand reichen, aber du glaubst nicht, dass seine Männer diese Absicht teilen.«
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Nicht?«
»Ich meine nur, es wäre sicher kein allzu willkommener Befehl, eine neue Sprache zu lernen. Insbesondere, wenn herauskommt, dass der Vorschlag von mir kam.«
»Nicht einmal, wenn es euch hilft, das Missionsziel eures Kommandanten zu erreichen?«
»Sieh mal, so einfach ist das nicht. Die Truppen …«
»Die Truppen, ah ja«, unterbrach sie ihn. »Weißt du, vielleicht sind die das eigentliche Problem. Vielleicht sollten wir keine Soldaten, sondern Diplomaten nach Bajor schicken.«
Ataan wirkte kritisch. »Diplomaten sind zum Verhandeln da«, betonte er. »Man verhandelt nicht mit Terroristen.«
»Ich wusste gar nicht, dass alle Bajoraner Terroristen sind.«
»Hör auf, mir die Worte im Mund umzudrehen! Selbst wenn Diplomatie die Lösung wäre, könnte sie erst eingesetzt werden, wenn das Militär den Planeten gesichert hat.«
Iliana schluckte die Flut an wütenden Erwiderungen herunter, die ihr auf der Zunge lag, und schloss die Augen. »Können wir über was anderes reden? Bitte.«
»Was hast du denn?«
»Nichts.«
»Iliana …«
»Ich bin’s einfach leid, ständig von den Unruhen auf Bajor zu hören!« Ruckartig stand sie auf und klaubte ihre Unterwäsche vom Boden. Während sie sich anzog, murmelte sie vor sich hin: »Schlimm genug, dass das Komm-Netz voll davon ist und sich das Militär nicht auf eine Strategie einigen kann … Müssen
wir
jetzt auch noch darüber diskutieren? In meinem Bett?«
Ataan starrte sie an. »Iliana … Dort drüben sterben tagtäglich Cardassianer. Du kannst nicht erwarten …«
»Erwarten? Ich erwarte inzwischen nur noch, was ich ohnehin jeden Tag aufs Neue höre: Gewalt und die Androhung von Gewalt, Aufstände und terroristische Angriffe, politische Rhetorik und Panikmache … All das wegen einer Welt, die uns ganz offensichtlich nicht haben will. Und genau
dorthin
reist du.«
»Du bist wohl keine große Verfechterin unserer Außenpolitik.«
Sie starrte ihn an. »Mach dich nicht über mich lustig!«
Sein Gesicht nahm einen verletzten Ausdruck an. »Das würde ich nie tun«, sagte er. »Mich interessiert, was du denkst. Ehrlich.«
Sie spürte, dass er es ernst meinte. Er sah in ihre Augen, als suche er nach etwas. Iliana begriff plötzlich, dass sie, wenn es um seine Karriere ging, nie so offen und vertrauensvoll mit ihm umging wie er stets – und mit scheinbarer Leichtigkeit – mit ihr. Iliana konnte einfach nicht anders. Wenn ihr Leben sie eines gelehrt hatte, dann, dass eine Kultur, die Konformität schätzte, keinen besonderen Wert auf kritische Äußerungen legte.
Sie erwiderte Ataans Blick und dachte an ihre Selbstzweifel und Sorgen. An die kulturelle Indoktrinierung, der sie sich seit Jahren verweigerte. An ihre ersten, vorsichtigen Versuche, den elterlichen Willen zu missachten und sich eine eigene Identität aufzubauen, die schließlich in der Erkenntnis endeten, dass sie sich gegen die Erziehung ihrer dem Staat blindlings folgenden Eltern entscheiden würde. Und sie dachte an ihre Gewissheit, dass mit Cardassia – ihrer Heimatwelt, auf die sie stolz war und die sie liebte – etwas ganz und gar nicht stimmte.
»Ich glaube, wir begehen viele Fehler«, antwortete sie.
Ataan runzelte die Stirn. »Wegen Bajor?«
»Wegen vieler Dinge. Aber, ja – insbesondere wegen Bajor. Ungeachtet der Absichten, mit denen wir dort hingezogen sein, oder der Argumente, mit denen wir unser Bleiben rechtfertigen mögen, glaube ich, dass diese Annektierung unser Volk mit Fragen konfrontiert hat, auf die wir nicht vorbereitet waren. Fragen, auf die wir noch keine Antworten haben. Sie bringt uns dazu, unser Selbstbild zu hinterfragen.«
»Wie meinst du das?«, fragte Ataan.
Iliana senkte den Blick und schlang die Arme um ihren Körper. Sie hatte noch nie so offen gesprochen und fühlte sich auf einmal nackt und verletzlich. »Ich glaube, die Bajoraner machen uns Angst«, erklärte
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