Entsorgt: Thriller (German Edition)
geben, D. Zumindest von einem der Apartments im Erdgeschoss.«
»Woher willst du wissen, dass da hinten nicht noch mehr von denen warten?«
»Gar nicht.«
Was immer sich an der Haustür zu schaffen machte, schien seine Anstrengungen zu vergrößern. Der nächste Stoß klang, als ob die Tür nachgeben würde. Ray griff sich den leeren Rucksack aus dem Schrank und schwang ihn sich über die Schulter.
»Gibt es hier denn gar nichts, womit wir uns verteidigen könnten?«, fragte er.
Sie ging auf die Knie und kramte einen Moment lang unter dem Bett herum.
Wieder krachte die Haustür.
»Vergiss es, D, wir müssen sofort hier weg.«
»Warte.«
Mit einem zufriedenen Seufzen zog sie eine lange, flache, mit Schnitzereien versehene Holzkiste hervor und öffnete den Deckel. Auf der Stelle vergaß Ray die Kreatur vor dem Haus.
»Wo zur Hölle hast du das denn her?«
»Von meinem Exfreund. Der war Karate- und Jiu-Jitsu-Freak.«
»Ist das echt?«
»Ich glaube schon.«
Sie reichte Ray die verschnörkelte Scheide, und er zog eine sechzig Zentimeter lange stählerne Klinge heraus. Er war kein Experte, aber es sah eindeutig echt und verdammt nach einem Katanaschwert aus. Vielleicht eine dieser Trophäen, die ein amerikanischer Soldat bei Ende des Zweiten Weltkriegs einem japanischen Offizier abgenommen hatte. Er küsste sie.
»Das dürfte gehen«, sagte er. »Ziemlich gut sogar.«
Die Haustür krachte aus den Angeln. Ray steckte die Scheide in seinen Gürtel, zog das Schwert und öffnete die Tür von Delilahs Apartment.
»Was immer auch passiert, bleib bitte erst mal möglichst weit hinter mir, bis wir uns einen Überblick verschafft haben, in Ordnung?«
»Hast du so eins jemals zuvor benutzt?«
»Ja. Im Prinzip. Also … nein, nicht wirklich. Aber ich … ist auch egal. Bleib einfach hinter mir.«
Er pirschte aus der Tür auf den Flur hinaus. Das winzige Haus bestand aus vier Apartments: zwei im Ober- und zwei im Untergeschoss. Vom oberen Flur führte die Treppe direkt hinunter zur Haustür und zum Zugang des unteren Flurs, auf den die Eingangstüren der beiden unteren Apartments hinausgingen.
Aber Ray machte sich längst keine Sorgen mehr, wie er die Tür zum Garten finden sollte. Den Eingangsbereich im Erdgeschoss blockierte etwas, das größer war, als er erwartet hatte. Sehr viel größer. Den Türrahmen füllte – vom zertrümmerten Schloss bis zu den herausgerissenen Angeln – ein gigantischer schwarzer Tausendfüßler, der sich aufgerichtet hatte wie eine angriffsbereite Schlange. Den gesamten Unterkörper bedeckten zwei Reihen menschlicher Finger, die sich wimperngleich in Wellen bewegten. Das Gesicht bestand aus einer umgestülpten Satellitenschüssel, in deren Mitte ein einzelnes Kuhauge saß. Auf der Spitze des Transmitters, der gleich einer Angel darüber emporragte, thronte das zweite Auge. Der Mund befand sich unterhalb der Schüssel, ein dreißig Zentimeter breiter Schlitz, besetzt mit den Klingen Hunderter gezackter Brotmesser, drei Reihen tief. Sie erinnerten ihn an das Gebiss eines Hais.
Bei seinem Anblick gab das Ding einen gurgelnden Laut von sich, offensichtlich hocherfreut, die Beute in Reichweite zu wissen. Der Tausendfüßler keuchte beim Atmen wie ein undichter Blasebalg, bewegte sich aber überraschend schnell vorwärts. Er glitt auf seinen Füßchen aus abgetrennten Fingern dahin wie auf einem Luftkissen. Die vordere Hälfte weiterhin aufgerichtet wie eine Kobra, wieselte er die ersten drei Stufen hinauf. Die lidlosen Augen fixierten das Opfer. Die Brotmesserzähne klirrten aufeinander.
Ray hob das Katana und schlug – wie jemand, der zum ersten Mal eine Schusswaffe abfeuert – mit geschlossenen Augen zu. Als er seine Augen wieder öffnete, sah er, dass er dem Ding bloß das Stielauge abgeschlagen hatte. Die Kreatur wich zischend zurück und drehte suchend den »Kopf«, bis sie das abgetrennte Auge gefunden hatte. Das Ding ließ sich auf seine Fingerfüße herab, und als es sich wieder aufrichtete, war das Auge, das blind auf der Treppe gelegen hatte, im knirschenden Maul des Wesens verschwunden. Ach du Scheiße, dachte Ray, die können sich sogar selbst recyceln. Die Kreatur wirkte nicht unbedingt glücklich über den Verlust ihres Sinnesorgans, und ihr verbliebenes Auge war nun gerötet vor Wut. Sie näherte sich erneut, diesmal langsamer, und schnappte nach Rays Füßen.
Er schwang wiederum sein Schwert und traf den gewölbten Kopf des Dings exakt am Scheitel, wobei er einen
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