Entsorgt: Thriller (German Edition)

klaffenden Spalt hinterließ. Aber als er zurückweichen wollte, stolperte er und fiel mit dem Hintern auf die oberste Stufe. Die Kreatur, das konnte er nun erkennen, nahm die komplette Länge und beinahe gesamte Breite der Treppe ein. Mit gespaltener Satellitenschüssel, aber nach wie vor maschinenartig gegeneinanderschlagenden Zähnen wuselte sie auf ihn zu.
    Ray krabbelte rückwärts und kam auf dem Treppenabsatz wieder auf die Beine. Delilah war in ihr Zimmer zurückgewichen. Rays Hände zitterten, und seine Knöchel standen weiß hervor. Er atmete tief durch, hob das Schwert hoch über die rechte Schulter – wie er es seinen Charakter in Zombie-Apokalypse so oft hatte tun lassen – und schwang es in weitem Bogen herab. Was immer er dabei durchtrennte, es gab der Kreatur den Rest. Sie fiel auf der Stelle in sich zusammen und ergoss einen Strom fauliger brauner Gülle auf den billigen Teppichboden. Hunderte von Fingern wer weiß wie vieler bisheriger Opfer zuckten ein letztes Mal und lagen dann still.
    Ray piekste mit der Spitze des Schwertes in den Kadaver, doch der bewegte sich nicht mehr. Dann sank er zu Boden.
    Delilah wagte sich hinter ihm hervor.
    »Nette Moves, Ray.«
    »Danke.«
    »Wo hast du das gelernt?«
    Er blickte zu ihr auf.
    »Da soll noch mal jemand behaupten, Computerspiele wären Zeitverschwendung. Oder förderten unsoziales Verhalten.«
    Delilah konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
    »Alles klar, Ray. Danke, dass du mir das Leben gerettet hast, aber du kannst das Schwert jetzt loslassen.«
    Ray blickte auf seine Hände, machte jedoch keine Anstalten, die Waffe in die Scheide zurückzuschieben.
    »Ehrlich gesagt kann ich das Mistding aus irgendeinem Grund nicht loslassen. Kannst du mir helfen?«
    Das war das erste Mal, dass Delilah Rays Finger vom Schaft des Katanas lösen musste. Es sollte nicht das letzte Mal sein.
     
    Fassungslos vor Entsetzen lief Mason Brand durch die Siedlung.
    Je nachdem, was sie gefressen oder erlegt hatten, robbten, krabbelten oder schleppten sich Varianten jenes Dings aus dem Schuppen, das er vor vielen Wochen in seinem eigenen Garten gefunden hatte, durch die Straßen. Sie nutzten wirklich alles, was sie kriegen konnten. Nicht ein einziger Schrottschnipsel war unbrauchbar. Einige der Kreaturen waren so fragil wie das Papier, aus dem ihre Haut bestand; andere waren mit Kästen und Kisten verstärkt, die einen effizienten Panzer bildeten. Allesamt kopierten sie verschiedenste existente Lebensformen oder näherten sich ihnen zumindest an. Einige von ihnen waren dabei erfolgreicher als andere, aber jedes Mal, wenn sie sich ein weiteres Stück lebendes Gewebe einverleibten, gestalteten sie sich weiter aus, zu etwas Besserem, Schnellerem, Stärkerem.
    Mason überdachte die Konsequenzen dieser Entwicklung. Im Moment war es womöglich noch denkbar, ihren Vorstoß einzudämmen, denn ihr Fortschritt beschränkte sich auf den Boden. Aber wie lange würde es noch dauern, bis die erste der Kreaturen einen Vogel fing, beispielsweise eine der Möwen von der Mülldeponie? Dann wären sie in der Lage, jeden Ort zu erreichen, den sie wollten. Sie würden sich vom Wind verbreiten lassen, wie Samen.
    Den Haustieren der Gegend, die sich unter freiem Himmel aufhielten, als die Invasion begann, war es nicht besonders gut ergangen. In diversen Vorgärten sah Mason Hunde, die Stück für Stück vertilgt wurden, oder Katzen, die sich fauchend und kratzend der Bedrohung entgegenstellten. Keines der Tiere würde überleben, es sei denn, ihr Instinkt riete ihnen, sich zu verkriechen, aber selbst das würde sie letztendlich kaum davor bewahren, irgendwann Zelle für Zelle einem neuen Organismus einverleibt zu werden.
    Er wandelte unter ihnen wie ein Besucher im Zoo, und es dauerte nahezu eine Stunde, bis er sich seiner Situation vollends bewusst wurde: Sie hatten kein Interesse an ihm. Er blieb stehen und unterzog die Kreaturen in seiner Nähe einer eingehenderen Betrachtung. Nahmen sie seine Gegenwart nicht war? Er überprüfte die These, indem er sich einem der eher unterentwickelten Wesen, das wie ein großes schwarzes Komma mit einem einzigen Auge aussah, in den Weg stellte. Als es sich ihm bis auf fünfzig Zentimeter genähert hatte, blickte es zu ihm auf und wechselte die Richtung. Um ihn zu umgehen. Für den Fall, dass das Ding blind oder es bloßer Zufall gewesen sein sollte, versperrte er daraufhin einer größeren Kreatur den Durchgang, einer, die sich offenbar eine Katze zum