Entsorgt: Thriller (German Edition)
die niedrige Böschung hinunter Richtung Wasser. Nicht sicher, was er da eigentlich gesehen hatte, blickte Kevin hinterher.
Er lachte.
»Ich werde wohl langsam weich in der Birne.«
Dieser Müll war nichts als Müll. Er war nicht lebendig. Kein Wunder, dass sich das Ding bewegt hatte, so wie Hunde daran herumgezerrt und -gerissen hatten. Und jetzt, nachdem sie es der Schwerkraft überlassen hatten, rollte es den Hang zum See runter. Er schüttelte den Kopf. Unglaublich, was für groteske Schlüsse das Gehirn unter entsprechenden Umständen ziehen konnte. Nicht, dass er auch nur den geringsten Versuch unternommen hätte, den Müll wegzuräumen. Das lag schließlich in der Verantwortung desjenigen, der ihn dort entsorgt hatte. Sollte er auf den Parkaufseher treffen, so beruhigte er sein Gewissen, würde er ihm die illegale Verklappung melden. Er klinkte die Leinen in die Halsbänder der Hunde ein und machte sich auf den Weg zurück zum Parkplatz.
Mason polsterte eine alte Pilzkiste mit Lappen, die er unter der Spüle gefunden hatte, und stellte sie in eine Ecke seines Schuppens. Es schien ihm der geeignetste Platz dafür zu sein. Er wollte den Geruch ganz sicher nicht im Haus haben. Das leise Wimmern des Dings löste bei ihm panische Anfälle von Verantwortungsgefühl aus. Er wollte es nicht sterben lassen.
War es nicht unvermeidlich gewesen, dass früher oder später etwas wie das hier geschah?
Je mehr er darüber nachdachte, desto stärker faszinierte es ihn. Das Übel, der Aussatz dieser Welt, hatte etwas komplett Neues hervorgebracht. Irgendwie schien ihm das logisch und richtig, ein völlig natürlicher Prozess zu sein. Sorgte der Kompost in seinem Garten nicht für besseres Wachstum? Wuchs das Gras unter einem alten Kuhfladen letztendlich nicht dichter und grüner? Das Ding weinte. Es waren Tränen des Hungers. Wenn er nichts unternahm, würde dieses hilflose Wesen zugrunde gehen.
Er ging, um eine Schüssel warmer Milch zu holen.
Es fiel ihm nicht leicht, den über die Hintertreppe verteilten Haufen Abfall einfach zu ignorieren. Die Hunde waren nach dem Spaziergang derart verdreckt und stanken so zum Himmel, dass er sie an den Pfosten im Garten gebunden hatte, bevor er das Haus durch die Hintertür betrat. Der Anblick des Mülls verstörte ihn. Es wäre etwas anderes gewesen, wenn er gewusst hätte, dass er aus ihrer eigenen Mülltonne stammte – es wäre ja durchaus möglich gewesen, dass Tammy ihn unabsichtlich hatte fallen lassen, als sie ihn nach draußen bringen wollte -, aber nichts davon kam ihm bekannt vor. Sie aßen zum Beispiel keine Schnellgerichte für die Mikrowelle. Und sie hatten ganz sicher kein altes Radio in den Müll geworfen. Und der Gestank nach Kloake, der von dem Zeug aufstieg, war schlimmer als jeder noch so üble Geruch, den er jemals in ihrem Haus gerochen hatte.
In einer schimmernden Pfütze, auf der obersten Stufe, lag eine zerbrochene Kaffeetasse. Eine der Scherben ragte aus einem schwarzen Stück Müllsack, wie eine Klinge aus der grotesken Karikatur eines Körpers. Er tippte den Müllhaufen mit der Schuhspitze an, aber er war völlig leblos. Erneut musste er darüber lachen, wie leicht seine Fantasie mit ihm durchging. Das Lachen verging ihm, als er durch die Glastür ins Haus blickte und am Frühstückstresen eine weinende Tammy in den Armen einer Nachbarin erblickte.
Er trat ein.
»Was ist passiert, Schatz?«
Mavis Ahern, die gegenüber wohnte, sah ihn mit vorwurfsvollem Blick an. Als wäre er für Tammys Tränen verantwortlich, als stünde seine Schuld bereits fest. Sie zog ihren schützenden Arm fester um Tammys Schulter und antwortete an ihrer Stelle.
»Sie hat einen Schock. Das wäre vielleicht nicht passiert, wenn Sie mehr Zeit zu Hause verbringen würden.«
Er hatte diese Frau noch nie leiden können. Sie war jünger, als sie aussah und sich kleidete, und ein ganzes Stück absonderlicher, als es irgendein enger Nachbar sein sollte.
Mavis Ahern war Tammys Freundin – gut, eigentlich eher eine Bekannte -, aber hatte sie deshalb das Recht, in seinen eigenen vier Wänden so mit ihm zu reden? Ihre Unverfrorenheit hatte ihn kalt erwischt, und er war bereits zu lange still, um seiner Reaktion noch einen Anstrich von Spontaneität geben zu können. Stattdessen dachte er darüber nach, was wohl der Grund für Mrs. Aherns bizarres Auftreten war. Sie war eine alte Jungfer, wie sie im Buche stand, aber war sie das, weil sie keine andere Wahl hatte, oder
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