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Entsorgt: Thriller (German Edition)

Entsorgt: Thriller (German Edition)

Titel: Entsorgt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph D'Lacey
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gefunden hatte, wurde es schon gar nicht gerecht.
    Während sie dasaß und ihre Schnappschüsse begutachtete, wanderten ihre Gedanken zurück zu jener Person, die sie vor ihrer Erleuchtung gewesen war. Ihr altes Leben war ebenso weltlich wie uninspiriert gewesen. O ja, Verlangen hatte es durchaus gegeben, aber kein Verlangen wie jenes, das sie heute antrieb. Sie hatte ein Verlangen nach einer ganz anderen Art von Verbindung verspürt; Verlangen, geboren aus spiritueller Isolation.
    Wären die gelegentlichen Bewegungen ihrer Finger nicht gewesen, hätte man annehmen können, dass die Zeit im Zimmer still stünde. Staubteilchen schwebten – durchs All rotierenden Sternennebeln gleich – langsam durch rechteckige Balken aus Sonnenlicht. Es herrschte völlige Stille. Sie hielt den Fotostapel in ihrer Rechten, und wenn sie genug gesehen hatte, wanderte das oberste Bild nach unten, und sie betrachtete das nächste. Neben ihr stand eine Porzellantasse, der schwarze Kaffee darin längst kalt. Ihre Augen durchbohrten jedes der Bilder, bevor sie es von oben nach unten legte. Immer und immer wieder analysierte sie, was sie sah, versuchte es zu verstehen. Es gelang ihr nicht.
    Die Fotos taten weiter nichts, als sie an jenes »Leben« zu erinnern, das sie geführt hatte, bevor sie zum Erlöser fand. Damals war ihre Existenz von einer Leere erfüllt gewesen – nein, das traf es nur unzureichend: Damals war ihre gesamte Existenz nichts als Leere gewesen, selbst ihre Kindheit. Nie hatte sie teilgenommen, sondern immer bloß beobachtet. Die Welt war eine Drehbühne, auf der die Menschen bereitwillig tanzten. Der alten Mavis – also der jungen Mavis, die sie damals gewesen war – hatte die Musik nicht gefallen. Nichts an diesem Tanz schien ihr von Bedeutung zu sein. Bis sie Ihm begegnete, schien ihr selbst die natürliche Rotation des Planeten von einem zufälligen, ziellosen Uhrwerk diktiert. Die Welt war ein Spielzeug, die Menschen darin nur Puppen. Die Schöpfung als Ganzes drehte sich in einem absurden Akt des Vergessens unaufhörlich um die eigene Achse.
    Als sich ihre Perspektive mit Erreichen des neunzehnten Lebensjahres nicht geändert hatte, führte sie das zu der Schlussfolgerung, auch ihre Ankunft in dieser Welt könne nicht von Bedeutung sein. Mavis erhängte sich in dem großen antiken Kleiderschrank ihrer Mutter. Da sie das Prinzip der Henkersschlinge nicht verstanden hatte, erstickte sie langsam, statt sich das Genick zu brechen. Aber der Überlebenswille ihres Körpers hatte sich als stärker als die Unfähigkeit ihres Geistes erwiesen, einen Grund zum Weiterleben zu finden, und sie trat und hämmerte das alte Möbel in Stücke. Es brach zusammen und gab sie frei.
    In eben jenem Moment, als sie den Luftzug der Klinge des Sensenmannes schon spürte, war Gott in ihr Leben getreten. Es war, als hätte sie im Feuerstrahl eines Flammenwerfers gestanden, der ihr die Ignoranz von den Knochen fackelte. Und so begann sie endlich zu begreifen. Sie hatte sich in dieser Welt allein deshalb nicht willkommen gefühlt, weil sie nicht wie die anderen, sondern unter Seinen Kindern auserwählt war. Selbstverständlich hatte sie sich dadurch auch ausgeschlossen und entfremdet gefühlt: Sie war sein Werkzeug, ein Werkzeug von reinstem göttlichen Feuer. Jenem Feuer, welches gerade den letzten Rest ihrer menschlichen Dummheit verbrannte. Durch die Flammen hörte sie Gottes Stimme so klar und deutlich, dass ihr Klang schmerzhafter für sie war als der Feuersturm um sie herum.
    Du bist mein Kind, mein Werkzeug. Liebe mich, wie ich dich liebe, und ich werde dich auf immerdar führen und beschützen. Tue, um was ich dich bitte, und du wirst in meinem Hause leben, bis in alle Ewigkeit.
    Bis zu diesem Moment hatte sie sich niemals lebendig gefühlt. Jetzt stand sie in Flammen, erfüllt von einem Feuerwerk der Empfindungen. Explosionen von Licht und Farbe erhellten den Nachthimmel des Todes.
    »Ich werde tun, was immer du von mir verlangst.«
    Ich bitte nur um eines: Sei wachsam.
    Da war ein schrecklicher Moment des Zweifels. Die Feuersbrunst drohte zu ersticken.
    »Woher weiß ich, nach was ich Ausschau halten soll?«
    Vertrau mir. Du wirst es wissen.
    Innerhalb eines Augenblicks war ihr Glaube vollkommen. Sie hatte eine Verbindung, eine persönliche Verbindung mit dem Schöpfer. Das war wie eine Standleitung zu Weisheit und Liebe. Er hat nie wieder zu ihr gesprochen – nicht in Worten -, aber er gab ihr jeden Tag Zeichen. Wann immer sie

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