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Entsorgt: Thriller (German Edition)

Entsorgt: Thriller (German Edition)

Titel: Entsorgt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph D'Lacey
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Minuten zwischen den Bäumen herumgedrückt hatte, wurde ihm klar, dass ihm alles gleichermaßen fremd erschien. Zwar hatte er das Gefühl, in die richtige Richtung zu gehen, aber er konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen und keinerlei Orientierungspunkte ausmachen. Wie lang waren sie durch den Wald gegangen, bevor sie die Lichtung erreicht hatten? Sicher nicht länger als zwei bis drei Minuten. Eigentlich müsste er jetzt in der Nähe des Zaunes sein. Um ihn herum waren überall Bäume. Nichts kam ihm bekannt vor. Das rotgoldene Licht wurde dunkler und schwächer.
    Angst und Paranoia krabbelten insektengleich über seinen Hinterkopf. Er wandte sich von einer Richtung zur nächsten, immer auf der Suche nach einem Pfad, einem Hinweis oder Anzeichen dafür, dass sie auf dem Hinweg dort vorbeigekommen waren. Er bemerkte etwas, das aussah wie ein Durchgang durch das dichte Unterholz. Augenblicke später war die Passage von einem umgestürzten Baum blockiert. Diesen Weg waren sie definitiv nicht gekommen. Er drehte um und trottete im Laufschritt zurück zur Lichtung, um von dort noch einmal anzufangen. Es dauerte nicht lange, bis ihm klar wurde, dass er den Weg dorthin ebenfalls nicht mehr finden konnte.
    Ray verlor die Nerven und begann zu rennen.
    Er strauchelte über Äste und stolperte in den Eingang eines Kaninchenbaus.
    Ich hätte mir den Scheißknöchel brechen können.
    Als er begriff, wie panisch er sich verhielt, lief er etwas langsamer und achtete sorgfältiger darauf, wo er seine Füße hinsetzte. Er wusste durchaus, wie dämlich er sich verhielt, konnte aber nicht aufhören zu rennen. Es war das beschissene Dope: er war zwar nicht mehr high, stand aber immer noch völlig neben sich.
    Und dann, ein Stück voraus, sah er die Sonne rot durchs Geäst blitzen. Also näherte er sich dem Waldrand. Erleichterung ergriff ihn, und er rannte dem warmen, tröstenden Licht entgegen. Dann erreichte er das Ende des Waldes – allerdings nicht dort, wo sie ihn betreten hatten. Hier gab es keinen Stacheldrahtzaun. Stattdessen fand er sich auf einer erhöhten Böschung mit weitem Blick über die Landschaft wieder. Vor ihm fiel das Gelände – hier nur noch mit kleineren Bäumen und Büschen bestanden – steil ab. Hinter dem Buschland schlängelte sich ein Weg entlang, und ein Stück weiter erblickte er den Ausläufer eines Sees. Auf der anderen Seite des Sees flimmerte die Luft über der allgegenwärtigen Mülldeponie vor Hitze und ließ den Horizont verschwimmen.
    Natürlich war es kein richtiger See, über den er blickte. Er hatte seine Orientierung wiedergefunden. Das war das Wasserreservoir im Zentrum des Landschaftsparks. Von hier würde er den Weg zurück in die Stadt finden. Es gab keinen Grund mehr zu rennen. Jetzt wusste er, wo er war, es war noch hell genug, und ihm blieb genug Zeit. Er konnte sich auf das konzentrieren, was ihn wirklich umtrieb: Nach Hause gehen und Delilah anrufen.
    Die Sonne flimmerte, als sie den Horizont berührte, und versank schneller, als er erwartet hatte. Er hatte so oft hineingestarrt, dass ihr Bild dutzendfach auf seiner Netzhaut flackerte. Als die Sonne hinter dem Horizont verschwunden war und der Himmel in einem kräftigen, staubigen Pink leuchtete, überblendeten die leuchtenden Schemen ihres Nachbildes den Flickenteppich aus Feldern und Wiesen und die im Gänsemarsch in der Ferne entschwindenden Strommasten. Die sich vor ihm ausbreitende Landschaft wirkte durch und durch surreal. Das fahl glühende, immer noch flirrende Licht über der Müllkippe ließ den gesamten Horizont wie eine künstliche Kulisse erscheinen, eine farbenprächtige Bühnenleinwand, die in der lauen Sommerbrise flatterte. Aus dem Augenwinkel nahm er war, wie sich auf der anderen Seite des Reservoirs etwas bewegte. Erst einmal, dann erneut, ungefähr in der Mitte der Deponie. Erst dachte er, die irisierenden Lichtkleckse in seinen Augen spielten ihm einen Streich, aber dann nahm es Formen an – sehr konkrete Formen.
    Etwas Gewaltiges erhob sich aus der Müllhalde. Die Bewegungen kamen Ray bekannt vor und erinnerten ihn an einen Schwimmer, der aus dem Becken stieg. Dafür war es allerdings viel, viel zu riesig. Es war mindestens eine Meile weit entfernt. Er sah es bloß als Silhouette – schwarz setzte es sich gegen den letzten Rest Tageslicht ab -, aber als es sich zu voller Größe aufrichtete, ließen die Konturen, so schartig sie auch waren, keinen anderen Schluss zu: Es war die Gestalt eines Menschen. Ein

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