Entspannt wie ein Buddha
wirkt jede Therapie oder Entspannungstechnik zumindestteilweise dadurch, dass die Wahrnehmung von eng auf weit gestellt werde.
In der Medizin und Psychologie ist weithin bekannt, dass es einen Placeboeffekt gibt. Patienten geht es oftmals besser, wenn sie ein Scheinmedikament bekommen, das sie für einen echten Wirkstoff halten. Man ist sich nicht einig darüber, wie dieser Effekt zustande kommt. Es könnte sein, dass eine reine Zuckerpille, an die die Patienten glauben, sie veranlasst, ihre Beschwerden und die Umwelt günstiger wahrzunehmen. Sie hören auf, sich auf ihr Leid zu konzentrieren, und wenden sich angenehmen Themen zu. Sollte dies der Fall sein, könnte man auf zahlreiche Medikamente ebenso wie auf den Trick mit Placebos verzichten. Stattdessen wäre es das Beste, jedem zu erklären, wie man am geeignetsten mit der Wahrnehmung umgeht.
Der Mittlere Weg
Open Focus passt erstaunlich gut zur Lehre des Buddha. Ein zentrales Prinzip darin ist der Mittlere Weg. Damit ist gemeint, dass es allgemein sehr günstig ist, die Extreme zu meiden. Der Buddha hat dies einmal sehr anschaulich dargestellt, als er darauf angesprochen wurde, dass er den Menschen widersprüchliche Ratschläge gebe. Seine Antwort lautete: »Ich sehe zwei Menschen einen Weg entlanggehen. Auf beiden Seiten des Wegs befindet sich ein tiefer Graben. Der eine Wanderer geht zu weit rechts. Es besteht die Gefahr, dass er in den rechten Graben fällt. Deshalbrate ich ihm, mehr nach links zu gehen. Der andere geht zu sehr auf der linken Seite und droht in den linken Graben zu fallen. Aus diesem Grund empfehle ich ihm, sich mehr rechts zu halten.« Aus meiner Sicht ist dies eine sehr kluge Antwort, sowohl was die Stellungnahme zu scheinbar widersprüchlichen Ratschlägen angeht als auch zur unmittelbaren Einsicht in die Notwendigkeit, den Mittleren Weg zu gehen. Jeder Ratschlag ist kontextabhängig, das heißt, er gilt für eine bestimmte Person an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit. Er ist nicht ohne Weiteres auf andere Menschen in anderen Umgebungen zu anderen Zeiten übertragbar. Daraus erklärt sich auch eine gewisse Begrenzung der Aussagekraft von Ratgeberbüchern. Da sie sich an eine Vielzahl von unterschiedlichen Menschen richten, können sie selten hundertprozentig auf jeden Einzelnen zutreffen. Manche sehen das als Nachteil an oder meinen sogar, deshalb sei es unmöglich, solche Bücher zu schreiben. Diese Ansicht finde ich wiederum zu extrem. Sie widerspricht meiner eigenen Erfahrung als auch der vieler anderer LeserInnen.
Paradoxerweise muss man die Lehre vom Mittleren Weg auf dieses Prinzip selbst anwenden. Es ist nicht immer richtig, sich in der Mitte zu halten. Manchmal kommt man nur weiter, wenn man sich kurzfristig sehr weit rechts oder links bewegt. (Die Begriffe »rechts« und »links« sind für manche heute sehr stark politisch besetzt. Deshalb möchte ich Missverständnissen vorbeugen und erklären, dass es sich bei der Lehre des Buddha natürlich nicht um eine politische Meinungsäußerung handelt.)
Im Open Focus, bei dem die Wahrnehmung des Geistesweit geöffnet ist, entstehen vermehrt Alphawellen in allen Teilen des Gehirns. Die Alphawellen liegen im Frequenzbereich zwischen den schnellen Betawellen und den langsamen Theta- und den noch langsameren Deltawellen. Praktisch gesehen, ist es die Mitte zwischen Schlaf und Stress, zwischen Über- und Unterspannung, also genau der Bereich, um den es in diesem Buch geht, nämlich eine angenehme, wache Entspanntheit.
Der Buddha nannte es Satipatthana
Die berühmteste Lehrrede des Buddha ist die von den Grundlagen der Achtsamkeit, in der Sprache seiner Zeit: Satipatthana-Sutta
( sutta
bedeutet in der damals verwendeten Pali-Sprache Lehrrede und
satipatthana
so viel wie die Grundlagen oder das Gegenwärtighalten der Achtsamkeit).
Der Buddha war der Ansicht, dass man das allgegenwärtige Leiden nur dadurch überwinden könne, indem man umfassend achtsam sei. Die Aufmerksamkeit soll sich auf den Körper, die Gefühle, den Geist und die Umgebung, kurz: auf die gesamte Innen- und Außenwelt richten. Mit Achtsamkeit ist die Funktion des reinen Beobachtens gemeint (im Einzelnen dazu Kapitel 5). Während man im Allgemeinen alles, was man wahrnimmt, sofort als gut oder schlecht bewertet, verzichtet man in dieser Haltung darauf. Man nimmt die Dinge einfach nur wahr. Sofern man trotzdem Beurteilungen vornimmt, ist man sich dessen bewusst.
Man kann sich die Aufmerksamkeit als einen
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