ENTWEIHT
all denjenigen, die uns Unrecht taten?
»Soll das heißen, du willst wissen, ob ich deinen Ansprüchen genüge?«, fragte Jake zweifelnd. Er schüttelte den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube vielmehr, du hast mir bloß nachspioniert.«
Mein erster Gedanke war, dich zu wecken, hielt Korath seine Lüge aufrecht. Doch als ich mitbekam, was du zu tun im Begriff warst, war ich so davon gefangen ...
»Gefangen? Du meinst, du hast es genossen?«
Es hat mich fasziniert. Ich war fasziniert von dem … Konzept dahinter.
»Was denn für ein Konzept?«
Auge um Auge, erwiderte Korath. Aye! Er gab ein obszönes Kichern von sich. Ah, als du mit Frankie sprachst und ihm sagtest, jeder Tropfen habe sich dir eingebrannt wie Säure – nun, da beschriebst du ihm sein eigenes Schicksal! Was für eine großartige Ironie! Da war mir klar, dass wir beide gemeinsam unbesiegbar sind, da wusste ich, dass du vor nichts zurückschrecken wirst, ganz gleich was getan werden muss. Und dennoch ...
Korath verstummte, und Jake spürte ein körperloses Stirnrunzeln, gefolgt von einem unschlüssigen Achselzucken. »Was?!«, drängte er.
Mir bereitet nur eine Kleinigkeit Sorgen, sagte der Vampir. Die Tatsache nämlich, dass ich dein Bedauern spürte. Dir gefiel nicht, was du getan hast.
»Es soll mir auch noch gefallen?«, entgegnete Jake. »Aber das war doch unmenschlich!«
Das trifft auch auf die Wamphyri zu, sagte Korath. Und nach allem, was ich in deinem Geist sah, auf diesen Castellano ebenfalls. Weshalb bedauerst du denn deine Handlungen? Ist das vielleicht eine Schwäche in dir?
»Nein«, bestritt Jake, »es ist eine Stärke. Ich bedaure, was ich getan habe, weil ich mich damit auf dieselbe Seite wie sie – und du – begebe.«
Hmm!, meinte Korath nachdenklich. Du hast wohl keine sehr hohe Meinung von mir. Er tat, als sinne er darüber nach. Trotzdem, meinte er nach einem Augenblick, lass uns nicht weiter streiten. Und als Zeichen meines guten Willens machen wir es so, wie du willst. Als Erstes schnappen wir uns Luigi Castellano.
»Gut«, sagte Jake. »Aber du musst begreifen, dass ich dich trotzdem nicht in meinem Geist haben will, nicht als ständigen Begleiter.«
Nicht ständig, sondern lediglich ...
»Gar nicht«, sagte Jake. »Kein bisschen mehr als das, was du ohnehin schon hast. Und auch das ist bereits zu viel.«
Hah!, erwiderte Korath. Kannst du denn nicht ab- und zugeben? Musst du immer gewinnen?
»Es geht mir nicht ums Gewinnen.« Jake schüttelte den Kopf. »Mir geht es darum, nicht zu verlieren. Verlierer enden in unterirdischen Senkgruben, und das Fleisch wird ihnen von den Knochen geschält! Ich dagegen bin ziemlich lebendig. Also tun wir es auf meine Weise oder gar nicht. In letzterem Fall könnte ich mich an Harry Keogh wenden, damit er mir hilft, dich für alle Zeiten loszuwerden.«
Korath gab ein frustriertes Schnauben von sich, und hätte er Hände gehabt, hätte er sie über dem Kopf zusammengeschlagen. Na schön, sagte er, na schön! Und was kommt jetzt? Wie gehen wir weiter vor? Wo und wann fangen wir an?
»Wenn ich nach dir rufe, wirst du kommen«, erwiderte Jake. »Und wenn ich sage ›raus‹, dann verschwindest du. Und wenn ich dann Castellano erledigt habe, kehren wir zum E-Dezernat zurück und heften uns an die Fersen der Wamphyri.«
So sei es!, brummte Korath. Wir sind uns einig! Doch tief in seinem schwarzen Herzen war ihm eines klar: Je früher es ihm gelang, diesen Sturkopf Jake – sei es durch Taten oder durch gute Worte – zum E-Dezernat zurückzubringen, desto besser. Denn als er ihm sagte, die Zeit dränge, hatte er nicht gelogen. Zwar schien die Zukunft mehr als bloß einen Hoffnungsschimmer, mehr als nur eine geringe Chance, auf die ein oder andere Art weiterzuexistieren, für ihn bereitzuhalten. Vielleicht konnte er sogar tatsächlich, nämlich in Jake, weiterleben. Doch wollte er sichergehen, dass dies auch in einer Welt geschah, die von Menschen beherrscht wurde, möglicherweise auch von ihm, keinesfalls jedoch von Vavara, Szwart und Malinari. Ganz gewiss nicht von Malinari!
Und … wo fangen wir an? Wie willst du diesen Castellano aufspüren?
»Es gibt ein paar Leute, mit denen ich reden kann.«
Leute?
»Die Toten«, sagte Jake. »Sie sind nicht wirklich tot – na ja, eigentlich schon – aber trotzdem ist es mit ihnen nicht zu Ende. Ihr Bewusstsein existiert weiter.«
Das kann ich bezeugen,aye.
»Und wer dürfte wohl besser über Castellano Bescheid wissen
Weitere Kostenlose Bücher