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ENTWEIHT

ENTWEIHT

Titel: ENTWEIHT Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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Wänden. Jede Nische barg Regale mit Reihe um Reihe vergoldeter Statuetten und Elfenbeinminiaturen, überall standen Glasvitrinen und -tischchen herum, übersät mit allem nur erdenklichen juwelenbesetzten Tand – kurz: Alles zeugte von der Obsession des fanatischen Sammlers.
    Auf einem eher geschäftsmäßig wirkenden, nicht von unbezahlbarem Krimskrams überladenen Schreibtisch summte schon seit einigen Sekunden beharrlich ein Telefon, ehe Castellanos rechte Hand, ein Leutnant, der schon ewig in seinen Diensten stand, durch ein Bogenportal hereingeeilt kam, um den Hörer abzunehmen.
    Im selben Augenblick erscholl hinter einer eisenbeschlagenen weiteren Tür Luigi Castellanos Stimme aus dem Schlafgemach. »Wer, zum Teufel, ist das«, wollte er wissen, »und weshalb lässt du es so lange läuten?« Seine Frage war ein wütendes, grollendes Knurren, allerdings so akzentuiert, dass es kultiviert klingen sollte. »Verflucht noch mal, Garzia! Jetzt bin ich davon wach geworden!«
    Den Gürtel seines flammend roten Morgenmantels schließend, kam er ins Arbeitszimmer und blieb mitten im Raum stehen. Zornig funkelte er den am Schreibtisch stehenden Leutnant an.
    Castellano war schlank, hoch gewachsen und ging leicht vornüber gebeugt … aber in einem solch merkwürdigen Winkel, dass man den Eindruck hatte, die dürren Arme mit den langfingrigen Händen wollten nach einem greifen. Seinem Aussehen nach zu urteilen, war er zwischen Mitte dreißig und Anfang vierzig, tatsächlich jedoch war er beinahe neunzig Jahre alt. Sein glänzend schwarzes Haar trug er zurückgekämmt, um die Spitzen der langen, eng am Kopf anliegenden Ohren zu verbergen. Seine Nase war breit und flach, sein Gesicht lang und schmal wie der ganze übrige Körper. Und doch besaß er, seiner sonderbaren Erscheinung, seiner Blässe und den merkwürdigen Gesichtszügen zum Trotz, mit seinen dunklen, tiefliegenden Augen – die aus einer bestimmten Perspektive in einem leuchtenden, nahezu tierhaften Gelb glommen – eine seltsame Anziehungskraft.
    »Ich war draußen«, erwiderte Garzia in gemessenem Tonfall, »um die Männer daran zu erinnern, dass wir Besuch erwarten – unseren russischen Kontaktmann –, und sie zu ermahnen, ihn mit Respekt zu behandeln … nun ja, vorerst zumindest.« Kaum hatte er sich seiner Antwort entledigt, fing er an, in den Hörer zu sprechen. »Ja?«, fragte er. Und einen Augenblick später: »Es ist für dich, Luigi. Alfonso Lefranc, er ruft aus London an.«
    »Alfonso?«, brummte Castellano. »Ha! Kein bisschen zu früh – und dennoch zur falschen Zeit! Dieser Idiot Lefranc weiß doch, dass er mich um diese Tageszeit nicht stören soll!«
    Er ließ sich in einen Sessel vor dem Schreibtisch sinken, ehe er nach dem Hörer griff und in die Muschel sprach: »Alfonso? Ich hatte dich schon beinahe abgeschrieben. Das muss ja wirklich überaus wichtig sein, dass du es wagst, mich um diese Uhrzeit anzurufen. Ich gehe davon aus, dass du hast, was ich möchte? Aber, bitte, sei vorsichtig, was du antwortest.«
    Letzteres war keineswegs eine Drohung (obwohl es unter Umständen durchaus eine hätte sein können; zum Beispiel für den Fall, dass Lefranc nicht haben sollte, was Castellano wollte), lediglich eine Erinnerung daran, dass im technologisch ach-so-hoch entwickelten einundzwanzigsten Jahrhundert niemand mehr hundertprozentig sicher sein konnte, dass sein Telefon nicht abgehört wurde. Und als Chef eines kleinen, dafür jedoch stetig wachsenden Drogenimperiums konnte Luigi Castellano sich ein derartiges Risiko nicht leisten.
    In London war es viertel vor drei Uhr nachmittags. Alfonso Lefranc stand in einer offenen Telefonzelle an der Victoria Station. Er war dürr und seine Blicke schweiften unstet umher. Mit seinen zirka einsfünfundsechzig, dem von schlimmen Pockennarben gezeichneten Gesicht und seinem nervösen Gehabe hatte er etwas von einem gewissen Tierchen an sich … von einem kleinen, übellaunigen, alles in allem äußerst unangenehmen Nager. Er war eine Ratte, ja, und wäre seine Art, sich zu bewegen, nicht so linkisch, scheinbar ungelenk gewesen, hätte man ihn auch mit einem Wiesel vergleichen können.
    Manch einer schrieb dies wohl seinem Job zu – der Drecksarbeit, die Lefranc früher einmal für die Drogendezernate der Sûreté und der Belgier geleistet hatte. Er war ein Spitzel gewesen und hatte als Informant über die Aktivitäten seiner einstigen Unterwelt-Freunde berichtet; darin war er wirklich gut gewesen. Doch

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