ENTWEIHT
sich seinen Weg ins Innere bahnte. Mittlerweile hatte das Hämmern und Treten aufgehört, und Frenchie schlug auch nicht mehr mit dem Schädel gegen die Wand. Nur noch ein dumpfes Pochen war zu vernehmen und ein gedämpftes Kreischen, das man eher ahnte als wirklich hörte. Vielleicht war es auch Einbildung. Keiner sah mehr, wie er sich wand und abmühte, doch alles, was er damit erreichte, war, dass der Spind hin und her schaukelte und aufgrund der heftigen Gewichtsverlagerungen nur umso schneller sank.
Sie lagen vor Anker. Den Kopf mit einem breitkrempigen Hut vor der gleißenden Mittelmeersonne geschützt, die gierig alles in sich aufsaugenden Augen hinter einer dunklen Brille verborgen, die zu seinem Markenzeichen geworden war, wann immer er tagsüber ausging, stand Luigi Castellano im Schatten des schwarz-gold gestreiften, über das Deck gespannten Sonnensegels in der ihm eigenen, vornüber gebeugten Haltung und umklammerte mit zu Klauen gekrümmten Händen so fest die Reling, dass seine Knöchel weiß hervortraten.
Er blieb so lange stehen, bis von dem Spind nichts mehr zu sehen war und nur noch ein paar Blasen an die Oberfläche stiegen ...
Unterdessen schrubbten Castellanos Männer das Deck, und einer von ihnen – Francesco »Frankie« Reggio, genannt der Torpedo – ließ sogar einen Champagnerkorken knallen und spritzte die verräterische rote Brühe mit einem Schampus, der fünfzig Francs das Glas kostete, weg. Das war der Augenblick, in dem der Boss sich aufrichtete und von der Reling zurückwich, weil die wechselhafte Strömung die Yacht allmählich direkt ins Sonnenlicht trieb.
Als nähme er Lefranc zum ersten Mal wahr, sagte Castellano: »Da hast du es, Alfonso. So einfach ist das. Ich kann dich gebrauchen, aber solltest du mich enttäuschen, wirst du mir gewiss nicht fehlen . Also entweder du arbeitest für mich ... oder du lässt es bleiben. Was ist dir lieber?«
Darauf wollte Lefranc nur noch wissen, was er als Erstes tun solle ...
»Nun?« Castellanos scharfer Tonfall verriet seine wachsende Ungeduld. Dies brachte Lefranc schlagartig zurück auf den Boden der Tatsachen – in die Gegenwart, in das Hier und Jetzt. »Hast du etwas für mich oder nicht! Du hast mich aus dem Bett geholt, Alfonso, und ich bin sicher, dass es einen sehr guten Grund gibt, weshalb ich hier im Morgenmantel herumstehe und mich mit einem verdammten Idioten unterhalte – es sei denn, du möchtest bloß den Klang meiner Stimme hören!«
»Ich habe etwas für dich, ja!«, stieß Lefranc hervor. »Ich habe etwas, aber ... es wird dir nicht gefallen, Luigi, nicht im Geringsten.«
Der Drogenboss horchte auf. »Wo bist du?« Die Furcht in Lefrancs Stimme war ihm nicht entgangen. Anscheinend hatte der Kerl wirklich Angst, ihm etwas mitzuteilen, was er nicht hören wollte. Doch da er dafür bezahlt wurde, blieb ihm gar keine andere Wahl.
»Ich bin in London«, antwortete Lefranc. »Victoria Station! Die sicherste Leitung, die ich auftreiben konnte. Niemand wird ein Telefongespräch, das von einem Bahnhof aus geführt wird, abhören! Lauter Typen, die ihre Frauen anrufen und ihnen erzählen, dass der Zug Verspätung hat und es noch ein bisschen dauert, bis sie nach Hause kommen! Ich meine, wen interessiert so was schon? Außerdem rufe ich immer von solchen Orten aus an: von öffentlichen Telefonzellen in Flughäfen und Bahnhöfen und dergleichen. Aber, hey, du weißt doch, dass ich kein Risiko eingehe, Luigi! Nicht, wenn es um die Sicherheit geht. Um deine Sicherheit, meine ich!«
»Und wenn dich jemand beobachtet hat und dir gefolgt ist?«
»Nein.« Obwohl sein Boss ihn nicht sehen konnte, schüttelte Lefranc nervös den Kopf. »Und selbst wenn – selbst wenn mir irgendjemand eine Wanze untergeschoben hätte, was sollte er an einem Ort wie diesem schon mitbekommen?« Um das Gesagte zu unterstreichen, hielt er die Muschel aus der Kabine, wo die Dieselaggregate eines Intercity dröhnten und Gase ausstießen, bis die Luft flirrte und der Bahnsteig vibrierte, als der Fahrer die gewaltigen Maschinen probelaufen ließ.
»Na gut«, sagte Castellano widerwillig, nachdem der Lärm in seinem Hörer verklungen war. »Was hast du herausgefunden? Weißt du, wer diese Leute waren, was sie in Australien getrieben haben und weshalb Jake Cutter bei ihnen war?«
»Äh, alles zusammen?«, entgegnete Lefranc ängstlich. »Ähem, nein – nicht alles, eigentlich nicht. Aber dafür weiß ich andere Dinge – zur Hölle, ja! Und das ist
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