ENTWEIHT
… ich meine, es handelt sich um etwas wirklich Großes , Luigi! Es ist bloß … ich weiß nicht recht, wo ich anfangen soll.«
»Wie wär‘s mit dem Anfang?«, knurrte Castellano. »In Brisbane, zum Beispiel?«
»Ja«, sagte Lefranc. »Brisbane, sicher – nachdem du mir sagtest, dass ich ihnen folgen und alles über sie herausfinden sollte. Kein Problem – ich nahm gleich die nächste Maschine nach ihnen ...
... am Flughafen von Brisbane war es mir gelungen, ihre Namen von den Gepäckanhängern abzulesen, aber ich musste vorsichtig sein, damit dieser Jake Cutter mich nicht erkannte. Und, äh – du weißt schon, was ich meine – du und ich, wir sind die Einzigen, die noch übrig sind, richtig?«
Lefranc sprach von Cutters Rachefeldzug und der Tatsache, dass von den fünf Leuten, die damals, in jener Nacht, an der Sache mit dem russischen Mädchen beteiligt waren, nur noch er selbst und sein Boss am Leben waren. Doch als Castellano nichts darauf erwiderte, fuhr er fort:
»Na ja, als ich in Heathrow ankam, erkundigte ich mich am Schalter von Quantas nach diesen Leuten. Ich gab vor, sie abholen zu wollen: diesen Kerl namens Trask, einen Chinesen namens Chung und ein Mädchen, das Liz Merrick hieß. Natürlich sagten sie mir, dass diese Leute mit dem Flug zuvor angekommen seien, was ich selbstverständlich schon wusste. Aber als ich darauf erwiderte, unmöglich – das könne nicht stimmen – und so tat, als wäre ich sauer, zeigten sie mir einen Ausdruck der Passagierliste. Natürlich standen die Namen drauf und ich sah lange hin und prägte mir die Adresse von diesem Chung ein. Das fiel mir nicht weiter schwer. Anschließend brauchte ich den Leuten am Schalter nur noch zu erklären, dass ich mich offensichtlich geirrt hatte. Ich entschuldigte mich und machte, dass ich da rauskam ...
Ganz schön clever was?«
»Erzähl weiter«, sagte Castellano.
»Na gut«, fuhr Lefranc hastig fort. »Dieser Chung wohnt in der Londoner Innenstadt, also heftete ich mich an seine Fersen.
Es dauerte eine Weile, aber schließlich spürte ich ihn auf und folgte ihm bis zu einem Hotel mitten in der City. Und da fand ich die anderen auch. Abermals dauerte es eine Weile, aber ich brauchte nur lange genug herumzustehen – und dazu war ich gezwungen – um sie ein- und ausgehen zu sehen, regelmäßig wie Ameisen in ihrem Bau. Darunter auch dieser Jake Cutter, angeblich einer der meistgesuchten Verbrecher Europas!
Aber das Ganze war … äußerst komisch …, eine wirklich merkwürdige Szenerie, Luigi. Verdammt merkwürdig. Sie benutzten durchweg den Hintereingang des Hotels, diese Leute, und sie waren die Einzigen, die das taten! Fast so, als gehörte er ihnen. Und das war noch nicht alles; denn obwohl es so aussah, als stünde ihnen der Laden zur Verfügung, das ganze große, kostspielige Hotel, war keiner von ihnen dort eingetragen! Das weiß ich, weil ich an der Rezeption anrief und es überprüfte. Dieser Cutter, Trask, Chung und wie sie alle heißen, keiner von ihnen hat ein Zimmer in diesem Hotel. Komisch, was? Ich meine, was hältst du davon, Luigi?«
Lefranc zögerte mit Bedacht einen Moment, sodass es beinahe schon den Anschein hatte, er veranstalte eine Art Ratespiel mit seinem Boss; dabei wolle er doch lediglich dessen Schweigen brechen, sich vergewissern, dass er ihm auch zuhörte, und hören, dass er seine Sache gut gemacht habe, einfach ein Gespräch mit diesem verdammten Sizilianer führen, so wie mit … so wie mit jedem anderen Menschen auch, ohne sich dabei vorzukommen wie ein Stück Dreck!
Doch während Alfonso Lefranc zwar menschlich war (vielleicht auch eine Stufe darunter), war Castellano vollkommen anders als jeder Mensch, den er jemals kennengelernt hatte, mitunter wirkte er alles andere als menschlich! Damals auf dieser Yacht zum Beispiel – Lefranc hatte noch immer Albträume deshalb – und nun, im Augenblick, wo sich das Schweigen zwischen den beiden immer länger hinzog und schon beinahe ohrenbetäubende Ausmaße annahm, ebenfalls, sodass Lefranc heftig zusammenzuckte, als schließlich Castellanos warnendes Knurren aus dem Hörer drang: »Alfonsoooo ...!«
»Ich komme ja schon auf den Punkt, ich komme schon dazu!«, plapperte Lefranc los, als ihm klar wurde, dass er in den Augen seines Gegenübers eben bloß ein Stück Dreck war und nichts weiter. Doch seine Nerven lagen mittlerweile blank. Es war stets dasselbe, wenn er mit Castellano reden musste; man hatte keine Chance, diesem Kerl etwas
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