ENTWEIHT
von Geburt und dem Blute nach ein Francezci! Und in der Tat wurden diese Schätze wieder zutage gefördert, sie werden es immer noch, jetzt, in diesem Augenblick. Wenn du einen Beweis dafür möchtest, brauchst du dich nur in diesem Zimmer umzusehen ...
Zudem träumte ich in Amerika, als wir beide junge Männer waren, von einem großen Krieg und sah seine Wogen über Sizilien hinwegbranden. Da wusste ich, dass es an der Zeit war, heimzukehren. Ich überzeugte dich davon, dass unser Platz hier sei. Wir kehrten zurück, und der Krieg brach aus. Mit ihm kamen unsere sogenannten Alliierten der Achsenmächte und schließlich die Siebte Armee und unsere amerikanischen ›Befreier‹.
Der Rest der Geschichte – unserer Geschichte von nun an – ist wesentlich einfacher zu berichten. Allerdings waren wir noch nicht bei dem ›Unfall‹, wie du es lieber nennst, Garzia, angelangt. Vielleicht möchtest du diesen Teil ja schildern?«
Garzia nickte. »Den Teil, an den ich mich am besten erinnere, ja. Nach mehr als sechzig Jahren verschwimmt manches und die Zeit trübt die Erinnerung. Aber dieses Ereignis wird mir immer klar vor Augen stehen. Es war folgendermaßen:
Der Krieg war vorüber, und aus unseren Gewinnen bei den amerikanischen Besatzungstruppen und aus anderen Unternehmungen gründetest du deine Baufirma. Viele unserer Städte und Dörfer lagen in Schutt und Asche. In Catania, Palermo, Messina und weiteren Orten erstreckten sich Ruinen in alle Richtungen. Schlimm für die meisten, aber Arbeit für uns. Allein mit Abbrucharbeiten machte ›Castellanos Bauunternehmung‹ ein Vermögen, ohne dass wir je ein einziges Gebäude errichteten!
In Palermo gewann ein neuer Don an Bedeutung: Don Pietro Alcamo, Carlos Sohn! Und für Don Carlos Tod drei Jahre zuvor warst du verantwortlich. Das war Pietro sehr wohl bekannt, und obwohl die übrigen Mafia-Oberhäupter – für die das Bauunternehmen eine willkommene Gelegenheit darstellte, die Einnahmen aus ihren üblichen Geschäften wie Schutzgelderpressung, Prostitution und dem Nachkriegs-Schwarzmarkt zu waschen und in rasch verfügbares Kapital zu verwandeln – uns mittlerweile akzeptierten, schwor Pietro, für den Tod seines Vaters Rache zu nehmen.
Eines Nachts – wir waren in Palermo essen gewesen und wollten zurück zu unserem Wagen – schlug er zu, Pietro, dieser Parvenu, mit drei seiner Soldaten. In einer dunklen, zerbombten Gasse hatten sie uns einen Hinterhalt gelegt. Aber das war für uns nichts Neues, in Amerika hatten wir unsere Erfahrungen gesammelt; außerdem war die Nacht seit jeher unsere Verbündete … insbesondere deine.
Du spürtest , dass sie da waren, Luigi! Mehr noch, du hattest es kommen sehen; deine sonderbaren Träume hatten dir prophezeit, wie es in etwa ablaufen würde. Wir machten ihnen einen Strich durch die Rechnung; mit ihren Messern, Pistolen und Garotten hatten sie nicht die geringste Chance gegen die abgesägten Schrotflinten, die wir unter unseren US-Militärmänteln trugen!
Tatsächlich war es jedoch das erste Mal, dass wir eigenhändig töteten. Oh, in Amerika waren wir durchaus an Bandenkriegen und Morden beteiligt gewesen, und auch hier in Sizilien hatten wir die ein oder andere Strafmaßnahme angeordnet, bei der etwas schiefging, sodass es Tote gab, aber … persönlich hatten wir uns bis zu jener Nacht nie die Hände schmutzig gemacht. Und dir war es noch stets gelungen, dich zu beherrschen beziehungsweise das, was deine Vorfahren dir mit ihrem ›verderbten‹ Francezci-Blut, vor dem deine Mutter dich immer gewarnt hatte, vererbt hatten, im Zaum zu halten ...«
»Ja, bis zu jener Nacht, ganz recht «, zischte Castellano, der nicht länger an sich halten konnte. »Wenn du es erzählst, klingt alles so einfach, Garzia. Aber allein die Vorstellung, dass jemand, der so lange zu leben vermag wie wir, wie du und ich, möglicherweise ewig, dass ein Unsterblicher dem Tod so nahe kommen sollte! Heute ... der bloße Gedanke an eine solche Bedrohung macht mich wütend. Aber natürlich, wir hatten ja keine Ahnung ...
… bis zu jener Nacht, als Pietro Alcamo dich mit zwei Kugeln traf. Die erste zerschmetterte dir das linke Knie, die zweite durchschlug deinen Hals und hätte um ein Haar die Schlagader durchtrennt. Nun ja, sie riss ein Loch in die Arterienwand, und als es mir schließlich gelang, dich zum Wagen zu schaffen, hattest du bereits eine Menge Blut verloren.
Ich war völlig durchnässt davon, von oben bis unten mit deinem Blut
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