ENTWEIHT
»Gott verdamm’ dich! «, tobte er, am ganzen Körper bebend. »Dich und dein dämliches Talent! Gott steh’ uns bei!«
Chung ging zu ihm hinüber, ohne ihn jedoch zu berühren. »Chef«, sagte er nach einem Augenblick leise. »Ian kann nichts dafür. Es ist, wie du sagtest, eine Warnung. Damit haben wir Zeit, noch einmal mit der Zentrale zu sprechen und ihnen mitzuteilen, dass etwas auf sie zukommt und sie insbesondere auf die Frauen achten müssen. Es ist bloß eine Warnung, mehr nicht.«
Trask holte tief Luft und blickte auf. »David, du weißt, dass es nicht so läuft. Wie oft haben wir das schon gesehen? Wenn Ian sagt, dass etwas geschehen wird, dann wird es auch so eintreten, und damit basta! Es gibt kein Entrinnen!«
»Aber wir wissen nicht, wie es geschehen wird«, sagte Goodly erneut, »oder was das Endergebnis sein wird.«
»Herrgott! Oh, mein Gott! «, sagte Trask, indem er aufsprang. »Ich muss mit London telefonieren! Aber ...« Er blickte seine Freunde an, schüttelte den Kopf und meinte: »Ihr beide, ich weiß nicht, wie ich mich dafür, wie ich mich vor einem Augenblick verhalten habe, entschuldigen soll. Ich weiß noch nicht einmal, ob ich es ausgerechnet jetzt tun sollte. Ich hasse dies alles. Ich hasse unsere Talente. Warum können wir nicht einfach so wie andere Menschen sein? Warum müssen wir diesen ganzen Mist durchmachen? Was, zur Hölle, haben unsere Vorfahren verbrochen, dass wir als verdammte Freaks auf die Welt kommen mussten? Ian, ich wollte dich nicht so anfahren! Aber Millie – mein Gott – Millie!«
»Schon in Ordnung!«, meinte der Hellseher. »Mir gefällt das Ganze ebenso wenig, Ben. Es geht uns allen so. Die Leute sagen, wir verfügen über Talente, ich hingegen sage, es ist ein Fluch. Mach’ dir jetzt bloß keine Sorgen … deshalb. Geh’ einfach und rufe die Zentrale an.«
Und ohne ein weiteres Wort nahm Trask seine Jacke und ging hinaus in die warme Nacht ...
Morgen. Die Sonne stieg eben über den Horizont, und so kühl würde es den ganzen Tag bis spät in die Nacht hinein nicht mehr sein.
»Jetzt sind wir wirklich Touristen«, meinte Liz. Sie saß mit im vordersten Wagen, als alle drei Fahrzeuge von »Christos Appartements« aus aufbrachen und ihren diversen Zielen zustrebten. »In jeder – bis auf die eigentliche – Hinsicht …«
»Früher haben mich meine ›Touren‹ durch die Sonnseite geführt«, kicherte Lardis auf seine schroffe, unbeholfene Art. »Aber ich nannte es ›die Grenzen abschreiten‹, dabei fuhr ich entweder in einem Zigeunerwagen oder ging zu Fuß. So pflegten die alten Szgany-Oberhäupter ihr Territorium zu schützen. Meine weiteste Reise führte mich auf die Sternseite, zur letzten gewaltigen Feste der Wamphyri. Aber das war natürlich vor Trask und Chung und Goodly und Zek und Nathan, bevor sie alle gemeinsam die Feste zum Einsturz brachten.«
Das war neu für Manolis, der am Steuer saß. »Was?«, fragte er. »Ben Trask und die anderen, sie waren alle bei dir in einer Vampirwelt?«
»In meiner Vampirwelt, aye«, sagte Lardis. »Und ich schätze, ohne sie befände ich mich jetzt nicht hier, um darüber zu reden. Sie sind nämlich allesamt tapfere Burschen, diese Leute vom E-Dezernat. Ohne sie gäbe es mich und die Meinen, die Szgany als Volk gar nicht mehr.«
»Das E-Dezernat«, nickte Manolis. »Ja, tapfer, das sind sie – und so viele von ihnen sind schon für immer von uns gegangen. Einen von ihnen kannte ich mal ganz gut, einen Mann namens Darcy Clarke, aber ich nehme nicht an, dass einer von euch ihn gekannt hat. Das war vor eurer Zeit beim E-Dezernat. Auf der Insel Halki erledigten wir, er und ich, einen Job, wir hatten es mit diesen Vrykoulaka -Bastarden zu tun. Es war … es war ein Albtraum … aber wir überlebten ihn! Sagte ich überlebten? Ha! Darcy hatte diese Sache an sich, sein Talent, das ihn schützte, damit hätte er eigentlich hundert Jahre alt werden müssen! Aber er ist nicht mehr. Darcy Clarke gibt es nicht mehr, und auch Ken Layard oder Trevor Jordan, Jazz und Zek sind nicht mehr.«
»Du kanntest Jazz? Jazz Simmons?« Nun war es an Lardis, überrascht zu sein. »Ah! – Das war vielleicht ein Kämpfer! Ich habe meinen Jungen nach Jazz genannt. Meinen einzigen Sohn, Jason Lidesci, er hatte das Zeug dazu und wäre heute gut und gern selbst Stammesoberhaupt.«
»Wäre?« Manolis warf ihm einen raschen Blick zu.
»Die Wamphyri haben ihn geschnappt«, knurrte Lardis und wandte das Gesicht ab. Darauf
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