ENTWEIHT
Champagner geschüttelt und dabei den Korken entfernt. Doch was dabei heraussprudelte, war keineswegs ein guter Sekt. Gase, Eiter und Schleim brodelten aus der Halshöhlung hervor, und, von inneren Zuckungen durcheinandergebracht, ergoss sich aus dem entgegengesetzten Ende ein Schwall gelblichen Kots und klebrigen Leichengifts. Die Leiche schien sich zu winden und um sich zu schlagen, während sie allmählich wieder zur Ruhe kam.
»Guter Gott!«, stieß Manolis erstickt hervor und wandte sich ab. »Ich bin gleich zurück, wenn es mir besser geht und ... und ...« Er führte den Satz nicht zu Ende. Den Raum konnte zwar nichts mehr verschandeln, doch hätte er den Mund noch einmal geöffnet, wäre es ihm auf der Stelle hochgekommen.
Aber als er sich auf der Toilette übergab, hatte er wenigstens die zweifelhafte Genugtuung mitzubekommen, dass es Eleni in der Damenkabine nebenan nicht anders erging …
»Das passiert mir nicht oft«, erklärte sie, als er nach einer Viertelstunde aus der Toilette kam. »Man gewöhnt sich an derartige Dinge. Vielleicht lag es ja an Ihrem Gesicht, ich meine, am Farbton und den fürchterlichen Grimassen, die Sie schnitten. Wahrscheinlich habe ich ... aus lauter Sympathie mitgekotzt?« Mit einem Schlauch spritzte sie den weiß gefliesten Boden ab und spülte die Schweinerei durch das Vorderzimmer der Polizeiwache auf die Straße hinaus in den Gully.
Draußen, auf der im prallen Sonnenschein liegenden Straße, war von den Dorfpolizisten nichts zu sehen. Nur zwei Nonnen eines obskuren Ordens hielten in ihrem Spaziergang inne, um zu gaffen. Sie trugen lange Kapuzengewänder, die sie von Kopf bis Fuß einhüllten. Doch schon im nächsten Moment kamen ihre bleichen Hände in Sicht, die sie vor die Gesichter schlugen, um diese mit ihren Taschentüchern zu bedecken, ehe sie sich abwandten und davoneilten.
Manolis konnte es ihnen nicht verdenken, er war ja selber noch ganz blass und mitgenommen. »Den Gestank kriegen wir hier nie wieder weg.«
»Nein, nein«, entgegnete Eleni. »Mit ein paar starken Antiseptika bekommen wir das in null Komma nichts wieder hin. Es wird bloß ein bisschen wie im Krankenhaus riechen, das ist alles.«
Die Leiche war erstaunlich sauber, dachte Manolis. Eleni hatte wirklich gute Arbeit geleistet. Nun ja, besser sie als er! »Machen Sie jetzt mit der Obduktion weiter?«
»Ich kann keinen Sinn darin sehen«, erwiderte sie. »Ich werde noch eine Probe des Mageninhalts nehmen, obwohl das Ganze schon ziemlich verwest und beeinträchtigt sein dürfte. Aber keine Sorge! Dabei brauchen Sie nicht zugegen zu sein, wirklich. Die Analyse werde ich ohnehin erst auf dem Festland vornehmen können. Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Weshalb gehen Sie nicht einfach irgendwohin und nehmen einen Drink zu sich?«
»Nein«, sagte Manolis, »aber ich werde Sie nachher zu einem einladen. Sagen Sie, was haben Sie eigentlich mit dem ... äh, diesem Ding gemacht?« Er konnte nicht verhindern, dass seine Stimme dabei bebte, und hoffte nur, dass sie es für eine Nachwirkung dessen, was soeben geschehen war, hielt.
Manolis hatte nur einen flüchtigen Blick auf das Ding in Elenis Hand erhascht, ehe die Leiche, der Ausbruch, ihn ablenkte. Aber es hatte eine Erinnerung in ihm wachgerufen, und zwar an etwas, was vor über zwanzig Jahren geschehen war. Damals hatte er draußen auf den Inseln, genauer gesagt: Rhodos, an einem Fall gearbeitet, der gänzlich anders gelagert war als alles, womit er je zu tun gehabt hatte. Eine Gruppe von Männern – darunter einer, der unbestreitbar etwas Besonderes an sich hatte – nun, sie hatten ihm von einem ebensolchen Organismus erzählt, wie er ihn gerade von der Hand der Pathologin baumeln sah. Oder vielleicht auch nicht, denn selber hatte er noch nie so ein Ding gesehen und konnte sich darum nicht sicher sein.
»Mit der Seegurke?« Prompt widerlegte Eleni Barbouris seinen morbiden Verdacht. »Nun, die hat sie nicht umgebracht, falls Sie das annehmen. Sie liegt unter dem Laken dort.«
»Seegurke?« Manolis runzelte die Stirn, zugleich jedoch empfand er eine tiefe Erleichterung.
»Ein Stachelhäuter«, erklärte sie. »Ein Verwandter der Seeschnecke. Eigentlich leben sie in Felslöchern. Aber dieses Vieh hier ist wohl in ein anderes Loch gekrochen und dort verendet. Wahrscheinlich hat es sich an ihr gütlich getan – ich weiß nicht viel über die Viecher –, aber wenn ja, dann ist es an seiner eigenen Gier zugrunde gegangen. Es wurde fett und kam
Weitere Kostenlose Bücher