ENTWEIHT
hingegen ist sehr lebendig. Also zeig’ mir schon diese Gleichungen, und zwar auf der Stelle. Sie steckt wirklich in der Klemme.«
Oh, da stimme ich dir zu!, sagte Korath. Etwas Schlimmeres kann ihr kaum zustoßen, denn sie befindet sich in Vavaras Hand. Und Vavara ist eine Wamphyri!
»Und, wo liegt dein Problem?« Jake hatte keine Zeit für diese Spielchen. »Luigi Castellano war auch ein Wamphyri, oder etwa nicht?«
In der Tat, aber er wusste es nicht. Er hatte niemanden, der ihn damit vertraut machte. Statt seiner wahren Natur zu folgen, benahm er sich wie diese Narren aus dem Gangstermilieu. Das Ergebnis kennen wir: Er ist tot. Dabei hätte er sich zum obersten Gebieter dieser Welt aufschwingen können. Vavaaara hingegen ist ein gänzlich anderes Wesen, überdies hat sie auch noch deine Liz in ihrer Gewalt – was die Lage äußerst kompliziert macht.
»Du machst dir ziemlich viele Gedanken.« So langsam kam Jake in Bedrängnis. Er merkte, dass in Koraths körperlosem Geist irgendetwas heranreifte. Mit einem Mal nahm er die Präsenz des einstigen Vampir-Leutnants nicht bloß als untotes Nichts, sondern als echte Wesenheit wahr. »Alles schön und gut, aber im Moment haben wir keine Zeit zum Philosophieren. Wir müssen zu Liz, und zwar so schnell wie möglich.«
Ah! Jetzt sprechen wir schon von »wir«?, entgegnete Korath. Obendrein auch noch ein »Wir« wie in du und ich, enge Gefährten bei diesem Unterfangen. »Wir« wie in falls und wenn es dir passen sollte, nicht länger das »Ich«, das ich ständig ertragen muss, wenn dir mal etwas nicht passt.
»Wovon, zum Teufel, redest du eigentlich?« Jake glaubte es nicht. Eine Art widersprüchliches Argument beziehungsweise Wortspiel zu einem derartigen Zeitpunkt? Was hatte diese tote Kreatur eigentlich vor – oder sollte er lieber nicht fragen?
Oh, du weißt sehr wohl, was ich vorhabe, sagte Korath, seine Totenstimme düsterer denn je, ganz wie das zähflüssige Gurgeln der unterirdischen Senkgrube, in der er eigentlich für alle Zeiten festsitzen müsste, und zwar nicht bloß seine blank polierten Knochen, sondern auch sein abscheulicher Intellekt.
Dieser letzte Gedanke stammte von Jake – ohne jede Abschirmung; er vermochte ihn nicht zu unterdrücken, ebenso wenig wie die Wut, die er in sich aufsteigen spürte – und Korath bekam ihn mit, ohne sich überhaupt anzustrengen.
Wenn es nach dir ginge, wäre ich immer noch dort gefangen, nicht wahr, Jake?, gurgelte er. Aber dafür ist es nun zu spät. Als du mich brauchtest und nach mir riefst, war ich zur Stelle. Du der Gebieter und der arme, tote Korath der Sklave, der dienstbare Geist in der Flasche … bis du mich herausgelassen hast. Ah! Endlich kommt die Wahrheit zu ihrem Recht. Oh, jaaa! Dein letzter Wunsch wurde dir bereits gewährt, Jake, nun hat der Dschinn die Oberhand!
»Du durchgeknallter Bastard!«, schrie Jake. »Ich brauche diese Zahlen, und zwar sofort. Was für eine Rolle spielt es denn schon, wer die Oberhand hat? Liz ist in Schwierigkeiten!«
Und wie gedenkst du sie zu retten?, höhnte Korath. Du, ein bloßer Mensch, gegen Vavara? Du weißt ja noch nicht einmal, in welcher Art von Schwierigkeiten sie steckt! Außerdem hast du keine Waffen: Deine Pistole ist weg und deine Bomben sind aufgebraucht. Und die allerwichtigste Frage: Wie willst du überhaupt dorthin gelangen, so viele Meilen über das Meer?
»Ich schicke dich zurück in deine Senkgrube«, stieß Jake zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Tu dir keinen Zwang an, entgegnete Korath. Dann kannst du Liz auch gleich sterben lassen – oder Schlimmeres!
»Du Dreckskerl!«, keuchte Jake, mit einem Mal allerdings wesentlich ruhiger. »Weshalb hast du bis jetzt gewartet? Das hättest du doch auch schon früher haben können.«
Aber nicht mit dieser Gewissheit, kicherte Korath. Und es hätte auch nicht solchen Spaß gemacht. Und während sein Kichern in den Totenäther entglitt: Entscheide dich, Jake. Seine Stimme klang hart: Was möchtest du?
»Zur Hölle mit dir!«, knurrte Jake. »Ich beschwöre die Möbiusgleichungen selber herauf.«
Er versuchte es. Die Ziffern kamen, wirbelten umher, begannen ein unerträglich vertrautes Muster zu bilden und sich in schwindelerregendem, stetigem Wandel vor seinem geistigen Auge abzuspulen. Doch gerade, als Jake glaubte, jetzt habe er es geschafft … fiel die Formel mit einem Mal auseinander, zerbrach in einen Haufen zersplitterter Symbole und sich auflösender Chiffren.
Gar nicht so
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