ENTWEIHT
ich erfahre all ihre Geheimnisse – und dann treibe ich sie aus!« Aye, das waren seine Worte. Und es steckt noch viel von meinem einstigen Gebieter in mir. Auch ich vermag in einen jener Räume, das heißt in einen deiner Räume einzudringen. Dort könnte ich sozusagen mit dem Ohr an der Tür lauschen, bis du mich brauchst …
Korath war nun sehr offen; dies konnte er sich auch leisten, denn er spürte, dass Jake seinem hypnotischen Bann mittlerweile erlegen war. Selbst wenn dieser erste Versuch fehlschlagen sollte, würde Jake sich an so gut wie nichts von dem erinnern, was von nun an geschah.
»Was sagst du da?«, fragte Jake. Unruhig warf er sich in seinem Bett hin und her. Auf dem gleichmäßigen Klang von Koraths Stimme dahintreibend, sank er allmählich tiefer in den Schlaf.
Haben wir da drin denn nicht beide Platz, Jake, redete der Vampir mit seiner monotonen Totenstimme auf ihn ein, in der unschuldigen, hallenden, ach-so-geräumigen Stätte deines Geistes? Nur ein Wort, Jake, bitte mich herein und ich werde eins mit dir sein. Ahhhhhh!
»Ein Wort?« Jake befand sich in einem Schwebezustand zwischen natürlichem und hypnotischem Schlaf, und immer stärker fühlte er sich zu Letzterem hingezogen. Dort war alles so ruhig, so friedlich, ohne jeden Konflikt. War er erst einmal dort angelangt, brauchte er sich um nichts mehr Sorgen zu machen, brauchte nicht mehr zu überlegen, nicht mehr denken und konnte sich einfach von dieser dunklen, tiefen Stimme leiten lassen. Es wäre so viel einfacher, ja ...
Nun, nicht unbedingt ein Wort, eher eine Einladung, sagte Korath. Du brauchst nur deinen Geist zu öffnen, Jake, und mich hereinzubitten. Lass den Schild sinken, der dich selbst jetzt noch schützt – aber wovor? Etwa vor mir? Weshalb? Ich bin dein einziger wahrer Freund in einer Welt, die dich nicht versteht, geschweige denn dich zu schätzen weiß! Was ist dir lieber? Möchtest du Ben Trasks Marionette sein, ein bloßes Werkzeug, nicht anders als ich für Malinari, oder möchtest du selbst Macht in Händen halten? Wir könnten Macht in unseren Händen halten, Jake, mein Freund!
»Meinen Geist … öffnen … den Schild senken … ihn hereinbitten … meinen einzig wahren Freund ...«
Sind wir beide denn so verschieden, du und ich?, fuhr Koraths kehliges Gurgeln in einem heimtückischen Flüstern fort. Ich glaube nicht. Ich habe nämlich gesehen, was du getan hast. Noch nicht einmal die Wamphyri würden sich, bei all ihrer Grausamkeit, so etwas träumen lassen. Aber du hast es geträumt, und ich, Korath, hatte die Ehre, es in deinem Traum mitzuerleben.
»Die Wamphyri? … Grausamkeit? … Was ich getan habe?« Jake wälzte sich in seinem Bett hin und her und verhedderte sich in seiner Decke.
Was du getan hast, aye! Die Dinge, von denen du träumst. Eigentlich gar nicht so sonderbar, dass dich nachts die Angst beschleicht. Sogar die ungeheuerlichsten Kreaturen werden von Albträumen heimgesucht! Sie träumen von dem, was ihnen Angst einjagte, bevor sie zu Ungeheuern wurden! Vielleicht auch von dem, was sie zu Ungeheuern machte, eh? Und was ist mit den Kerlen, die dich zu einem Monster machten? … Ah, aber was du dafür mit ihnen angestellt hast! Ich frage mich, Jake, ob dieser Castellano nicht ebenfalls Albträume hat. Und wer, glaubst du, spielt in seinen Träumen wohl die Hauptrolle? Kein Wunder, dass er dich tot sehen will.
»Castellano … Träume … Albträume.«
Du brauchst mich nur einzulassen, dann lassen wir seine Albträume schon wahr werden, du und ich. Und wer weiß, was wir noch alles anstellen werden? Ahhhh!
Mittlerweile kämpfte Jake, er mühte sich wirklich ab wie ein Ertrinkender, dem klar ist, dass noch nicht einmal Land in Sicht ist; dennoch kämpfte er weiter, überwiegend mit sich selbst. Er warf sich hin und her, der kalte Schweiß brach ihm aus, und in seine feuchte Bettdecke gewickelt wie in ein Leichentuch, das ihm schon beinahe die Luft abschnürte, schlug er mit den Armen um sich und spürte es noch nicht einmal, als seine Faust gegen die dünne Zwischenwand knallte.
Auf der anderen Seite jener Wand hingegen wurde Liz Merrick schlagartig wach. Was um …?
Wieder knallte direkt neben ihrem Ohr etwas gegen die Wand, und sofort ließ Liz ihre Sinne, unbeholfen umhertastend, schweifen.
Es war Jake … er wehrte sich … aber wogegen? Irgendetwas befand sich da drin bei ihm. Es war nahezu greifbar und doch auch wieder nicht. Bei ihm in seinem Zimmer oder in seinem Geist … in
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