Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
machte ich schnell wieder die Tür zu und trug das Essen zum Couchtisch.
„Das ist ja wohl das Mindeste, was ich tun kann, wenn du schon auf deinen Lieblingsfalaffelladen verzichten musst.“
Ich konnte David wirklich nicht einschätzen. Was war er nur für ein seltsamer Mensch? „Das ist …“, mir fehlten die Worte. „Danke.“
„Gern geschehen. Und nun genieße dein Mahl. Bis bald.“ Und damit legte er einfach auf, ohne mir die Chance zu geben, noch etwas zu erwidern.
Einen Moment lang starrte ich ungläubig auf das Essen vor mir. Ich war mir nicht sicher, was David damit bezweckte, aber so langsam kamen mir Zweifel, was meine negative Meinung von ihm betraf. Hätte ich nicht tief in mir diese feine Stimme, die mich immer noch eindringlich vor ihm warnte, dann würde ich sein Verhalten als fürsorglich und – ja, ich traute mich kaum, das Wort in den Mund zu nehmen, aber es passte nun mal – aufmerksam auslegen, denn im Grunde hatte er nie etwas anderes getan.
Er schenkte mir seine Aufmerksamkeit durch ein teueres Designerkleid, den Zugang zu einer zweifelsohne begehrten Veranstaltung, seinen Schutz, was diesen finsteren Typen anging, und nun sorgte er sich auch noch darum, dass ich ausreichend zu Essen bekam. Alles in allem zeichnete ihn das oberflächlich gesehen als den Gentleman aus, den Marianne so überzeugt in ihm sah.
Wäre da nicht diese seltsame, geheimnisvolle Energie, die ihn umgab und die mich stutzig machte. Da war etwas tief in ihm, das mich irritierte und dieser Aufmerksamkeit einen bitteren Nachgeschmack verlieh.
D och beim Duft des Essens fing mein Magen automatisch an zu grummeln und ich konnte nicht widerstehen. Ich genoss es einfach und versuchte jeden Gedanken an David und seine Absichten zu verdrängen.
Doch er gönnte mir keine lange Pause. Als ich am nächsten Tag, gedanklich noch völlig in den Lehrstoff vertieft, aus meiner Vorlesung trat, erwartete mich mitten in der Uni der überraschende Anblick eines sichtlich entspannten Davids. Er lehnte lässig wenige Meter gegenüber der Tür des Saals mit einer Schulter gegen die Wand und betrachtete müßig die Studenten, die aus der Vorlesung strömten.
Er trug zu seiner grauen Anzughose trotz der Kälte nur ein gut sitzendes, schlichtes, weißes Hemd, das er an den Ärmeln leger hochgekrempelt hatte und so mal wieder einen freien Blick auf seine muskulösen Unterarme feilbot. Er hatte ein Buch unter den linken Arm geklemmt, während seine Hände lässig in den Hosentaschen ruhten. Er wirkte fast wie ein Student, der unbedarft im Gang stand und seinem Müßiggang nachhing. Die gelangweilte Miene, die er dabei zur Schau stellte, betonte diesen Eindruck noch.
Ich blieb abrupt stehen und betrachtete ihn unschlüssig. Ich bemerkte die vielen interessierten Blicke, die meine weiblichen Kommilitoninnen ihm zuwarfen, doch er achtete gar nicht auf sie. Als er mich entdeckte, lächelte er mir mit einem feinen Lächeln zu, blieb aber stehen wo er war. Langsam ging ich auf ihn zu.
„Hi.“ Ich blieb in angemessenem Abstand vor ihm stehen und musterte ihn unsicher.
„Hi.“ David gab seine lässige Haltung auf und stand nun groß aufgerichtet vor mir. „Hier, habe ich dir versprochen.“ Er hielt mir das Buch hin, das er unter dem Arm geklemmt gehalten hatte. Es war das Werk über Shakespeare, über das wir gestern gesprochen hatten.
Zögernd nahm ich es entgegen. „Danke.“ Ich spürte, wie alle uns anstarrten und das war mir schrecklich una ngenehm. Verlegen sah ich auf das Buch in meinen Händen.
„Darf ich dich zum Mittagessen einladen?“, fragte David unerwartet.
Mein Kopf schnellte hoch. „Hast du dich jetzt auf die Rolle meines persönlichen Ernährungsberaters eingeschossen?“
David lachte. „Immerhin erkennst du an, dass du einen nötig hast.“ Da ich ihm einen finsteren Blick zuwarf, fuhr er beschwichtigend fort. „Ich sorge mich nur darum, dass du ausreichend Nährstoffe zu dir nimmst. Eine gesunde Ernährung ist wichtig für einen gesunden Körper und Geist.“
„Danke für den Vortrag, Mama“, witzelte ich.
Davids Augen blitzten belustigt auf. „Na, dann sei jetzt ein artiges Kind und begleite mich zum Essen. Ich habe gehört , die Mensa hier soll vorzüglich sein.“ Bevor ich etwas erwidern konnte, nahm er mich am Ellbogen und zog mich mit sich auf dem Weg zur Mensa. Ich wehrte mich nur nicht, weil sein Griff nicht wirklich fest war und ich außerdem froh war, der Beobachtung der anderen entrinnen zu
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