Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
begleiten. Ich rede von einem unverfänglichen Opernbesuch. Kultur. Du magst literarische Klassiker, also schätze ich mal, du magst auch Opern.“ Er zuckte tatsächlich gleichgültig mit den Schultern, als wäre es das Normalste der Welt, dass ich ihn in die Oper begleitete.
„Ich wüsste nicht, dass wir plötzlich Freunde geworden wären“, warf ich ihm unverblümt an den Kopf.
David seufzte resigniert auf. „Habe ich das behauptet?“
„ Nun … ein gemeinsamer Opernbesuch deutet zumindest darauf hin, dass wir einen Abend lang höflich Konversation miteinander betreiben können und … ich glaube nicht, dass wir schon so weit sind.“
David sah mich eingehenden an. „Also ich bin so weit.“ In seinen Augen flackerte Belustigung auf.
Ich zwickte ärgerlich die Augen zusammen. „Schön für dich. Ich bin’s nicht. Also lass uns nichts überstürzen“, fügte ich in sarkastischem Tonfall hinzu, weil es mir so vorkam, als würden wir uns in einer Filmszene befinden, in der die jugendliche Protagonistin ihren stürmisch vorpreschenden Freund in die Schranken weisen musste. David schien dieselbe Szene vor seinem geistigen Auge zu haben, denn sein Grinsen wurde breiter.
„ Gut, wenn du noch nicht bereit bist, warten wir noch. Ich werde dich diesbezüglich nicht drängen. Ich kann warten.“
Ich warf ihm einen finsteren Blick zu, konnte mir dann aber einen Kommentar doch nicht verkneifen. „Du bist ja so verständnisvoll“, hauchte ich ihm ironisch zu. Davids Grinsen wich einem warmen Lächeln, das mich augenblicklich unwohl fühlen ließ. Ich wandte den Blick von ihm ab und sah erneut auf Rodins Denker.
„Dann hast du das Kleid also noch“, stellte David scha rfsinnig fest.
„Ja“, erwiderte ich knapp, ohne ihn anzusehen.
„Gut. Dann behalte es bitte. Ich habe es nämlich legal erworben , auch wenn mir der Designer einen Freundschaftspreis gemacht hat, und ich sähe es äußerst ungern an einer anderen Person als an dir.“
Das war nun doch zu viel für mich. Ich wandte mich ihm zu. „Wieso in aller Welt hast du das getan?“
David wich meinem Blick nicht aus. Er sah mir ruhig in die Augen. „Weil es wie für dich gemacht ist und ich mir wünsche, dass du das anerkennst. Du hältst dich für eine unscheinbare, graue Maus und machst dich damit selbst schlecht. Auch wenn du Recht damit hast, in mir nicht den heiligen Samariter zu sehen, für dein mangelndes Selbstwertgefühl habe ich irgendwie eine Schwäche entwickelt und es zu meiner persönlichen Aufgabe auserkoren, dir das abzugewöhnen.“
Ic h starrte ihn völlig entgeistert an. Mir fehlten die Worte. „Hier.“ Er hielt mir erneut mein Telefon hin. Ich nahm es entgegen, immer noch unfähig, ein Wort herauszubekommen. „Ich komme also irgendwann auf den Opernbesuch zurück“, sagte er lächelnd, dann drehte er sich um und ging.
Ich stand da wie belämmert und starrte ihm hinterher. Selbst als er längst hinter der Hecke verschwunden war, sah ich noch in die Richtung, in die er fortgegangen war.
Was war das denn eben gewesen? Irritiert blickte ich zur Statue, als könnte sie mir sagen, was da eben abgelaufen war. Doch sie blickte mich nur nachdenklich an. „Ja, ich kapier’s auch nicht“, sagte ich laut und machte mich schließlich langsam auf den Weg, den anderen nach.
Es dauerte eine Weile, bis ich sie am anderen Ende des Parks ausfindig machte. David stand mitten unter ihnen als wäre er nie weg gewesen und sah mich nicht an, als ich dazu stieß. Ich beendete stillschweigend den Rest der Besichtigung mit ihnen und verabschiedete mich, sobald wir den Ausgang durchschritten hatten. Ich schwang mich auf mein Fahrrad und radelte los. Ich hatte keine Ahnung, wohin ich fahren sollte, aber ich hatte das dringende Bedürfnis mich zu bewegen, also fuhr ich einfach drauf los.
Die Gewissheit, dass zumindest ein Teil meiner seltsamen Empfindungen nun erklärbar war, führte dazu, dass ich am Montag relativ relaxt an die Uni ging.
Ic h folgte aufmerksam dem Stoff meiner Vorlesungen und der Tag verging völlig ereignislos. Was irgendwie seltsam war, nach den turbulenten Tagen zuvor, doch auch der Dienstag und der Mittwoch vergingen sang- und klanglos. Kein einziges Mal fühlte ich mich beobachtet und David ließ sich nicht blicken.
Allerdings kämpfte ich wieder mit meiner inneren Unruhe. Obwoh l ich jeden morgen ausführlich Joggen ging, spürte ich, wie gefährlich nah an der Oberfläche mein aufbrausendes Temperament lauerte. Am
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