Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
einen finsteren Blick zu und rechnete mir schnell meine Chancen aus, wegzurennen. Die Gasse war so schmal, dass ich an dem Typ nicht vorbeikam, also blieb nur der Weg zurück. Doch der Typ schien zu wissen, was ich vorhatte, denn sein schmieriges Grinsen vertiefte sich und er gab in spöttischem Ton von sich: „Heute bin ich nicht alleine unterwegs, widerspenstiges Kätzchen.“
Ich drehte mich auf seine Worte hin hektisch um und entdeckte, dass vom anderen Gassenende ein anderer finster wirkender Typ auf mich zukam. In meinem Kopf rasten die Gedanken. Was immer dieser Typ wirklich von mir wollte, es war klar, dass er sich diesmal nicht abwimmeln lassen würde. Er würde sich holen, was er wollte, dafür hatte er heute sogar Verstärkung dabei.
Der andere Typ sah nicht vertrauenerweckender aus. Irgendwie glichen sie sich sogar. Er hatte auch dunkel gebräunte Haut und beinahe das gleiche schwarze, lange Haar. Nur wirkte er um einiges bulliger als mein wiederkehrender Angreifer.
Fieberhaft suchte ich nach einem Ausweg. Was würde ich dafür geben, jetzt David auftauchen zu sehen. Doch er würde nicht erscheinen. Diesmal musste ich mich wirklich alleine aus der Situation retten. Da der andere Typ noch nicht ganz bei mir war und er sich anscheinend auch Zeit ließ, zu mir zu kommen, als befürchtete er nicht, dass ich davonlaufen könnte, ging ich kurzerhand auf Konfrontationskurs mit meinem altbekannten Verfolger.
Ich trat nahe an ihn heran und fixierte ihn finster mit meinen Augen, weil ich hoffte, ich könnte mit ihm dasselbe tun wie mit Monsieur Faubart noch wenige Stunden zuvor. Der Typ schien tatsächlich einen Moment perplex zu sein, weil ich so aggressiv auf ihn zuging, doch dann musterte er mich mit der gleichen Intensität, als hätte er das Gleiche mit mir vor.
Sekundenlang starrten wir uns feindselig an und versuchten, uns gegenseitig mit düsteren Blicken in die Knie zu zwingen, doch keinem von uns gelang es, was den Typen vor mir allerdings mehr zu irritieren schien als mich.
„Wer zum Teufel bist du?“, fragte er mich schließlich mit Widerwille und Unglaube in der Stimme.
I ch konnte diese Frage langsam echt nicht mehr hören. Wer sollte ich schon sein? „Ich bin die, die man besser in Frieden lässt, wenn man keinen Ärger bekommen will“, fauchte ich ihn grimmig an, weil ich dachte, Angriff ist die beste Verteidigung, und es schien zu wirken, denn der Typ wirkte verwirrt.
Aber dann riss er so schlagartig den Arm hoch und fasste nach meinem linken Unterarm, dass ich nicht mehr rechtzeitig reagieren konnte. Da ich in der rechten Hand das Bild von Karim hielt, das ich nicht loslassen wollte, konnte ich ihn nicht wegstoßen. Er hielt mich schließlich an meinem Unterarm fest. Die Art, wie er mir dabei intensiv in die Augen stierte und die Hand flach und fest auf meinen Arm drückte, kam mir verdächtig bekannt vor.
Ich hielt den Atem an und wartete unwillkürlich auf ein Hitzegefühl an meinem Arm, wo er mich berührte, doch es passierte nichts. Auch mein Gegenüber schien es zu irritieren, dass nichts geschah, denn er sah mich fassungslos an und senkte dann den Blick auf seine Hand, wie um nachzuse hen, ob er etwas falsch machte.
Ich nutzte die Chance seiner Unaufmerksamkeit und stieß mich ihm mit aller Wucht entgegen, so dass ich gegen ihn rempelte. Er war so überrumpelt von dieser unerwarteten Bewegung, dass er nach hinten stolperte und dabei meinen Arm losließ. Ich brauchte ihm nur noch einen weiteren festen Stoß zu versetzen, so dass er vollends das Gleichgewicht verlor und direkt vor mir verdutzt auf den Rücken fiel. Ich hastete an ihm vorbei und tat, was ich laut David anscheinend am Besten konnte: Ich rannte wieder einmal um mein Leben.
Ich hörte, wie der andere Typ meine Verfolgung aufnahm, doch ich war inzwischen eine geübte Läuferin und hatte eine anständige Kondition, so dass ich es tatsächlich irgendwie schaffte, ihn abzuhängen. Ich rannte durch die verlassenen, engen Gassen des Montmartre Viertels und stürzte in die nächste Metrostation hinab, weil ich hoffte, dort auf andere Menschen zu treff en, die mir Schutz boten, und zu meinem Glück stand gerade eine Bahn abfahrbereit da, so dass ich gerade noch durch die Tür flutschen konnte, bevor sie abfuhr.
Keuchend lehnte ich mich an die Metrotüren und sah mich gehetzt um, doch außer lauter gelangweilt und müde dreinblickenden Menschen, die wohl von ihrer Arbeit nach Hause fuhren und mich gar nicht weiter
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