Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
von Davids Art mich erkannt.
Davids Blick war augenblicklich wachsam, sein Körper wirkte angespannt. „Wen meinst du? Den alten Beauline? Der ein Geschäft in der Nähe des Panthéons unterhält?“ Ich nickte nur. „Was ist passiert? Wann?“ Nun wirkte David eindeutig nicht mehr so locker.
Ich erzählte ihm von meinem kurzen Aufeinandertreffen mit diesem Beauline vor einer Woche. Nach meiner Schilderung des Vorfalls entspannte sich David wieder.
„Hmm. Ich glaube nicht, dass er erkannt hat, wer du wirklich bist. Aber du solltest dieses Geschäft auf jeden Fall meiden. Beauline mag harmlos wirken und er verlässt seinen Laden nie, aber er ist ein schlauer Fuchs. Du solltest ihm auf keinen Fall noch mal begegnen.“
Ich schüttelte frustriert den Kopf. Ich hatte plötzlich das Gefühl, Bleigewichte auf meinen Schultern zu tragen. „Na, toll. Ich kann mich also nicht mehr frei bewegen. Habe ich überhaupt eine Chance, dem allem zu entkommen? Ich meine, muss ich mich jetzt für den Rest meines Lebens verstecken?“
David legte nachdenklich den Kopf schief. „Wahrscheinlich wäre es in der Tat besser, du würdest für eine Weile untertauchen. Aber ich schätze mal, das willst du nicht.“
Ich warf ihm einen müden Blick zu. „Nein, aber ich will auch nicht rücklings ermordet werden.“
David seufzte auf. „Ich wünschte, du könntest ein normales Leben führen und vielleicht ist das auch möglich. Bis jetzt hast du dich ja ganz gut geschlagen.“
Ich schnaubte auf. „Wie man’s nimmt.“ Ich ließ erschöpft und mutlos meine Arme sinken. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, was das Richtige war. Gab es in meinem Fall überhaupt das Richtige? Eine Weile herrschte Schweigen im Raum.
„Lass mich dir helfen, Jos ephine“, sagte David mit verwirrend sanfter Stimme in die Stille hinein.
Ich schloss erschöpft die Augen. „Habe ich denn eine andere Wahl?“ Es klang so entmutigt, wie ich mich fühlte. Mir war klar, dass ich mich eigentlich hätte kämpferisch zeigen müssen, doch ich hatte einfach keine Kraft mehr dazu. Als ich die Augen wieder öffnete, war auf Davids Gesicht Erleichterung abzulesen, was mich sofort wieder misstrauisch stimmte. „Aber ich traue dir nicht, David“, schob ich deswegen mit erstaunlich kraftvoller Stimme hinterher. „Das solltest du wissen. Und vielleicht bist du es, der einen Fehler damit begeht, mir zu trauen. Immerhin bin ich nachweislich alles anderes als passiv.“ Es sollte eigentlich nicht drohend rüberkommen, denn dazu fehlte mir sowohl jegliche Grundlage als auch die innere Überzeugung. Es sollte einfach nur bestimmt klingen, um ihm zu signalisieren, dass ich mich ihm niemals leichtfertig ergeben würde, doch ich hörte selbst, wie erstaunlich ernst und entschlossen das Gesagte klang und dass meine Stimme einen bedrohlichen Unterton enthielt. Ich erwartet halb, dass David mir nun ins Gesicht lachen würde, doch er blickte mich ernst an.
„Ich weiß“, erwiderte er zu meiner Überraschung, und er meinte es ernst. Ich sah so etwas wie Respekt in seinen Augen. Mit was ich nun gar nicht gerechnet hatte. Aber ich hatte denselben Ausdruck heute schon einmal an ihm gesehen. Es stand im Widerspruch zu seiner vorherigen Aussage, dass er mich für ein hilfloses, unmündiges Kind hielt, und ich wurde nicht ganz schlau daraus. Allerdings gab es mir Hoffnung, dass meine Lage vielleicht doch nicht ganz so deprimierend war, wie sie mir im Moment erschien.
Ich ging zu dem anderen Sessel, der neben dem Sofa stand, und versuchte mich möglichst lässig darauf zu setzen. „Wie willst du mir denn helfen?“
„Bleib übers Wochenende hier und ich erzähle dir alles, was du wissen musst.“
Ich lachte bitter auf. „Also willst du mich doch einsperren.“
David schüttelte vehement den Kopf. „Nein, ich sperre dich nirgendwo ein. Du kannst meine Wohnung jederzeit verlassen. Es ist nur ein Angebot, weil wir hier sicher sind und uns in Ruhe unterhalten können.“
„Bin ich hier denn auch sicher vor dir?“
„Das Gästezimmer ist von innen abschließbar und ich kann nicht durch Wände gehen.“ Er schien meinen kritischen Blick deuten zu können, denn er seufzte ergeben auf. „Und ich kann deine Gedanken nicht in deinem Schlaf beeinflussen, weil ich dazu direkt vor dir stehen muss und deinen Blick bewusst fokussieren muss, was bei schlafenden Personen nicht machbar ist und außerdem an der abgeschlossenen Tür scheitern würde. Und in deine Gedanken kann ich auf
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