Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
Grund deines Schutzwalls nicht mehr eintreten, selbst wenn ich es wollte, aber ich sagte bereits, dass ich es nicht mehr versuche.“
Wahrscheinlich war ich einfach zu erschöpft und niedergeschlagen, um noch skeptisch zu sein , und außerdem hatte ich ehrlich gesagt Angst davor, vor die Haustüre zu treten. Ich fühlte mich gerade mehr als unsicher auf dieser Welt und obwohl ich David nicht traute, so schien er mir doch im Moment das geringste Übel zu sein. Also stimmte ich zu. „Okay. Ich bleibe heute Nacht hier.“
David schien überrascht von meiner schnellen Kapitulation, versuchte aber, es sich nicht anmerken zu lassen. Er stand auf und bedeutete mir, ihm zu folgen. Er führte mich in ein Gästezimmer mit eigenem angrenzendem Badezimmer, das ein großes Bett und einen Fernseher aufwies und insgesamt wohl viermal so groß war wie meine Abstellkammer in Mariannes Wohnung - und vor allem hundert mal luxuriöser.
Die Tagesdecke auf dem Bett war aus feinster Seide und ein dicker Plüschteppich lag vor dem Bett. Das Bett selbst sah sehr bequem aus, was angesichts der Tatsache, dass ich seit zwei Monaten auf einer dünnen Matratze auf dem Boden schlief, allerdings auch nicht schwer zu erfüllen war. Der ganze Raum strahlte etwas Heimeliges aus, auch wenn er wie das Wohnzimmer keinerlei persönliche Gegenstände enthielt und eigentlich wie ein Hotelzimmer wirkte. Aber ein schön eingerichtetes Hotelzimmer.
Ich nahm alles schweigend in Augenschein, weil ich David gegenüber keinerlei Emotionen mehr preisgeben wollte. Er fragte mich, ob ich noch etwas brauchte, doch ich schüttelte den Kopf. Er zeigte bedeutsam auf den Schlüssel in der Zimmertüre, bevor er nach einem kurzen Zögern, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, das Zimmer verließ. Ich wollte gerade die Tür hinter ihm schließen, als er mit meiner Tasche zurückkam. Ich nahm sie von ihm entgegen, nickte ihm kurz zu und schloss dann die Tür, obwohl er noch davor stand und mich seltsam ansah, als wollte er noch etwas sagen, doch mir reichte es absolut für heute.
Ich schloss die Türe ab. Der Tag war mehr als heftig gewesen und ich konnte nichts mehr aufnehmen. Mein Kopf war angefüllt mir Erlebnissen, Erkenntnissen, Fragen und nichts schien irgendeinen Sinn zu ergeben. Ich war überfordert mit der Situation und alles kam mir sehr unwirklich vor. Ich war so übervoll mit Gedanken, dass mein Kopf zu platzen drohte und deswegen sah mein überlastetes Gehirn wohl nur noch eine Möglichkeit. Es wollte sich in den Schlaf flüchten. Tief einsinken in die bequem aussehenden Kissen und alles vergessen, was mir heute passiert war. Abtauchen in eine Traumwelt, in der alles wieder normal war oder aber auch voller Phantasie. Egal. Hauptsache weg von meiner vermeintlichen Realität.
Ich schleppte mich müde ins Badezimmer, bewundert e kurz die dort herrschende Eleganz, fand in einer Schublade unter dem Waschtisch eine eingepackte Zahnbürste und Zahncreme und schrubbte mir damit im Schnellverfahren die Zähne. Das Handtuch, mit dem ich mein Gesicht abtrocknete, war herrlich weich und flauschig. Ich hätte mich darin einwickeln können, weil es mir surrealerweise ein Gefühl von Geborgenheit suggerierte. Ich schüttelte den Kopf vor solch abstrusen Gedankengängen und ging zurück ins Schlafzimmer.
Vor dem Bett blieb ich einen Moment unschlüssig stehen, mich fragend, ob ich es mir tatsächlich erlauben konnte, mich einfach hineinzulegen und zu schlafen, doch schließlich war meine Müdigkeit größer als meine Unsicherheit über Davids Beweggründe, warum er mich bei sich haben wollte, und ich schlüpfte schnell aus meinen Schuhen, der Jeans und den Socken und schmiegte mich dann, bevor ich es mir noch einmal überlegen konnte, mit einem wohligen Aufseufzen unter die warme Decke. Es dauerte keine zehn Sekunden bis ich eingeschlafen war.
Ich schreckte mitten aus einem unangenehmen Traum auf. Ich saß mit klopfendem Herzen im Bett und wusste erst nicht, wo ich war, weil ich noch völlig gefangen von meinem Traum war. Ich hatte geträumt, ich war wieder bei meinen Eltern zu Hause in dem kleinen bretonischen Dorf. Wir saßen zusammen am Esstisch und plötzlich waren finster aussehende Typen in unser Wohnzimmer gestürmt und wollten mich mitnehmen. Meine Eltern hatten gar nicht reagiert, sondern nur mit den Schultern gezuckt, als würde sie das gar nicht interessieren und als wäre es ihnen völlig egal, was mit mir passierte. Es war schrecklich. Ich hatte im Traum
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