Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
Bild, schon wieder bei ihm vergessen hatte. Fluchend setzte ich meinen Weg dennoch fort. Sollte er es eben behalten. Oder es in den Müll werfen. Es war mir egal. Ich wollte ihm keinen erneuten Anlass mehr geben, mich dumm dastehen zu lassen. Seine überhebliche Bemerkung, ich wäre nichts weiter als ein kläffender Köter, der zu feige war, sich zu behaupten, schmerzte und ärgert mich zugleich.
Ich versuchte, den Schmerz zu ignorieren und den Ärger im Zaum zu halten, doch mein Unmut über Davids Verhalten erzürnte eindeutig die dunkle Seite in mir, denn mein Bauch signalisierte mir nur allzu deutlich seine hitzige Gier nach etwas, das sich durch Essen nicht stillen ließ.
Nur in Kombination mit ausgiebigem Joggen und gleichzeitiger reinigender Visualisierung bekam ich die aufwühlenden Gefühle einigermaßen in Griff, so dass ich mich dann auch wieder an die Uni wagen konnte.
Am Mittwoch wagte ich mich sogar zu Monsieur Faubart, der sich mir gegenüber völlig normal benahm, was wohl bedeutete, dass Davids Eingreifen funktioniert hatte und er sich tatsächlich nicht mehr an unsere verhängnisvolle Begegnung erinnern konnte, worüber ich sehr erleichtert war.
Ich versuchte, mich wieder auf meinen Studentenalltag zu konzentrieren, doch je mehr ich versuchte, mich unauffällig zwischen meinen Kommilitonen zu bewegen, umso augenscheinlich anders kam ich mir vor. Ich hatte zwar die ganze Woche kein einziges Mal das Gefühl, beobachtet zu werden und dank der ausgiebigen Lauf-Visualisierungs-Übungen konnte ich mein unbezähmbares Temperament im Zaum halten, dennoch wurde mir immer mehr bewusst, wie ausgegrenzt ich von allem lebte.
Das fehlende Vorhandensein verständnisvoller, Geborgenheit spendender Nähe zehrte immer mehr an meinem Innersten. Früher hielt ich dieses Fehlen für einen vorübergehenden Zustand, der sich überwinden ließ, traf ich erst die richtigen Leute. Dann hatte ich für einen kurzen Moment diese Nähe bei David gespürt, was etwas in meinem Inneren erweckt hatte. Doch nun war mir unwiderruflich klar, dass diese Nähe, die andere miteinander teilten, nie Teil meines Lebens sein würde. Ich war dazu verdammt, alleine zu bleiben. Weswegen ich mich immer mehr zurückzog. Ich versuchte möglichst allen Menschen aus dem Weg zu gehen. Auch Marianne.
Ich konnte den Gedanken, dass wir keine echten Schwestern waren und mein ganzes bisheriges Leben eine Farce gewesen war, nicht ertragen. Deswegen blieb ich bis spät abends in der Bibliothek. Auch am Freitag. Es war bereits lange dunkel, als ich mich auf den Heimweg machte.
Beim Nachhausefahren zögerte ich kurz angesichts der zu wählenden Strecke, entschloss mich dann aber die Strasse mit meinen unliebsamen Begegnungen weiterhin zu meiden. Ich musste das Schicksal ja nicht unbedingt herausfordern. Allerdings hatte ich auch keine Lust , den großen Umweg über die belebten Straßen zu nehmen und so fuhr ich schließlich eine Parallelstraße zur üblichen Route entlang, die nur von Wohnhäusern gesäumt wurde.
Ich hatte ein leicht mulmiges Gefühl im Bauch, schrieb das allerdings nur der finsteren, ungemütlich kalten Winternacht zu und radelte entschlossen weiter , um auf dem schnellsten Weg nach Hause zu kommen.
Als ich eine lange absolut menschenleere Straße entlangfuhr, die nicht mehr weit von der meiner Schwester entfernt lag, gingen plötzlich sämtliche Straßenlaternen aus und es herrschte eine schummrige Dunkelheit um mich herum, die nur schwach von der Notbeleuchtung einer einzelnen Straßenlampe durchdrungen wurde. Unmittelbar gab mein innerer Gefahrenanzeiger sein Achtungssignal ab und ich stoppte abrupt das Fahrrad.
Aufmerksam sah ich mich um und lauschte in die still daliegende Str aße. Kein Mensch war unterwegs. Ich schien alleine zu sein, dennoch spürte ich, dass ich es nicht war.
Mein Herz fing wild an zu klopfen und ich versuchte beunruhigt meine Empfindungen zu sondieren. Woher kam die Gefahr und was für eine Gefahr war es? Eine untrügliche Stimme flüsterte mir zu, dass es etwas mit dem dunklen Typen zu tun hatte und ich wusste, ich musste so schnell wie möglich weg von hier, doch wohin sollte ich mich wenden? Ich stand mitten in der langen Straße und es gab keine Seitengasse, in die ich hätte flüchten können. Da lag nur die schnurgerade menschenleere Straße vor und hinter mir. Welches war die richtige Richtung?
Ich entschied mich fürs U mkehren und wollte gerade losradeln, als direkt vor mir eine dunkle Gestalt
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