Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
ersten Mal nicht, was sie von mir verlangen. Aber wenigstens einmal möchte ich das tun, was ich möchte. Einmal in meinem Leben folge ich nur meinem eigenen Willen und verfolge meine eigenen Pläne. Spiele mein eigenes Spiel.“ Seine Stimme klang so weich und melodiös, dass sie mich regelrecht einlullte, und seine Worte verbunden mit seinem eindringlichen Blick streichelten mich förmlich, auch wenn sie für mich keinen richtigen Sinn ergaben, aber das war mir in diesem Moment völlig egal.
Ich konnte nur weiterhin in seine unglaublich intensiven und lebendigen, eisblau funkelnden Augen starren und ertappte mich dabei mir zu wünschen, er würde mich tatsächlich berühren und in seine Arme ziehen. Ich spürte ein unbekanntes Sehnen in meinem Inneren und ich war drauf und dran, mich ihm entgegenzulehnen, als er plötzlich blinzelte und es war, als würde ich aus einem Traum erwachen.
Ich taumelte leicht zurück und sah ihn verwirrt an. Er hatte ein schiefes Lächeln auf den Lippen, sagte nichts, sah mir nur unverwandt tief in die Augen und da erkannte ich den scharfkantigen Eisblock in den Tiefen seines Blickes.
Die Wärme in meinem Innern gefror a ugenblicklich. Das Prickeln verebbte abrupt, zurück blieb ein schales, leeres Gefühl. Ich fühlte mich, als hätte er mich einer ungekannten Wärme beraubt. Ich dämliches Schaf war gerade tatsächlich auf seinen manipulativen Charme hereingefallen.
Mit der letzten Reserve Kraft, die ich auffinden konnte, setzte ich einen spöttischen Gesichtsausdruck aus. „Vergiss dabei bloß nicht, dass in deinem wundersamen Forschungsobjekt ein unberechenbares Monster sitzt, das sich gegen dich stellen könnte, wenn es der Gier nach Macht verfällt.“
David s Lippen verzogen sich zu einem trägen Grinsen. „Wie könnte ich, wo du mich täglich daran erinnerst? Allerdings gibt es den Spruch „Hunde die bellen, beißen nicht.“ Und du bellst oft, Josephine.“ Die Art, wie er mich nun wieder herablassend und so siegesgewiss ansah, gab mir einen Stich ins Herz.
Immer wenn ich dachte, den echten David kennengelernt zu haben, kam seine andere Seite wieder zum Vorschein und zerstörte jegliche Sympathie, die ich eben noch für ihn empfunden hatte.
Ich straffte meinen Oberkörper und erwiderte seinen B lick so ungerührt wie möglich. „Wenn du meinst! Du kennst dich ja aus mit Monstern. Dann weißt du bestimmt auch, dass ich jetzt keinen Durst mehr auf Kaffee habe. Mich gelüstet es nach etwas anderem.“ Ich rammte ihm die beiden Tassen, die ich in der Hand hielt, in den Bauch, so dass ihm gar nichts anderes übrig blieb, als sie entgegenzunehmen, zumal aus der einen Tasse gefährlich der heiße Kaffee schwappte.
Ich nutzte seine Verdutztheit, drehte mich um, stürmte zur Wohnungstür, nahm dort meine verschwitzten Joggingsachen sowie meine Schuhe auf, riss stürmisch die Tür auf und schlidderte in den übergroßen Socken die Treppen hinunter, ohne mir die Mühe zu machen, meine Schuhe anzuziehen.
Es war ein Wunder, dass ich nicht ausrutschte und hinfiel, als ich nach unten rannte. Ich sah nicht zurück und reagierte auch nicht, als er mir nachrief. Ich warf die Haustüre hinter mir zu, schlüpfte schnell in meine Joggingschuhe, schloss eilig mein Fahrradschloss auf und trat volle Pulle in die Pedale. Ich tat, was ich immer tat, wenn ich die Welt um mich herum wieder einmal nicht verstand: Ich flüchtete.
Ich hatte mich erst am nächsten Morgen wieder soweit gefasst, dass ich es wagte, zur Uni zu gehen. Davids widersprüchliches Verhalten hatte mir gezeigt, dass ich tatsächlich besser daran tat, niemandem zu vertrauen. Schon gar nicht ihm.
Im einen Moment bot er mir vertrauliche Einsichten in sein Leben, im nächsten machte er sich über mich lustig. Im einen beneidete er mich um meine Freiheit, dann verteidigte er vehement seine Familientradition. Mal nannte er mich stark, dann wieder behandelte er mich wie ein kleines Kind. Als wären es zwei verschiedene Personen, die zu mir sprechen würden. Und ich dachte, ich wäre Schizophren! Dabei war David eindeutig mindestens genauso gespalten in seiner Persönlichkeit wie ich. Ich hatte eindeutig genug von seiner undurchsichtigen, widersprüchlichen, selbstherrlichen und manipulierenden Art, mit der er mich zum Narren hielt. Damit war jetzt Schluss! Ich wollte ihn nie wieder sehen.
Erst nachdem ich gestern schon halb zu Hause angelangt war, fiel mir ein, dass ich den eigentlichen Anlass meines Besuches, nämlich Karims
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