Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
ich sie ihm über seinen Schoss. Er öffnete ruckartig die Augen, und da ich mich gerade über ihn beugte, war mein Gesicht keine zwanzig Zentimeter von seinem entfernt und wir starrten uns für einen Moment beide bewegungslos in die Augen.
Seine blitzten in der Tiefe auf und sein intensiver, wacher Blick fesselte mich sofort wieder. Die eisblaue Farbe seiner Augen war von ganz Nahem noch außergewöhnlicher, noch intensiver und ich hielt unwillkürlich den Atem an, weil sie mich derart faszinierten. Man könnte darin ertrinken. Ich musste mich bemühen zu blinzeln und richtete mich ruckartig wieder auf, wobei ich seinem Blick auswich.
„Ich dachte, dir ist vielleicht auch kalt.“ Dann ging ich schnell wieder zurück zum Bett, schlüpfte unter die dicke Bettdecke und wickelte sie um mich herum. Ich wagte nicht, zu David hinüber zu sehen.
„Danke“, wehte es leise von ihm herüber und da musste ich doch hinsehen. Er drapierte die Decke ebenfalls um sich herum, ihm war also auch kalt. Er sah mich aber nicht an.
„Kannst du dich nicht mental gegen die Kälte wappnen?“ Mir fiel ein, dass er behauptet hatte, er könnte sämtliche körperlichen Vorgänge beeinflussen, warum also nicht auch das Kältegefühl?
Sein Blick glitt langsam zu mir. „Schon, aber das würde mich Energie kosten. Und ich darf meine Energie nicht unnötig verschwenden. Das ist mein Plan!“, fügte er leicht gereizt hinzu.
„Aha“, war alles, was ich dazu sagen konnte. Erst dachte ich, David würde es dabei belassen und wieder schweigen, dann sprach er aber doch weiter.
„Meine einzige Möglichkeit zu überleben besteht darin, meinen Energieverbrauch stark zu drosseln, so dass mein Energiereservoir möglichst lange ausreicht. Dafür muss ich alle unnötigen Anstrengungen vermeiden beziehungsweise abstellen. Dazu gehören Bewegungen, Emotionen, unnötige Gedanken und das Sprechen.“ Er warf mir einen nachdrücklichen Blick zu, der wohl verdeutlichen sollte, dass ihm das Gespräch mit mir unnötig Kraft entzog.
Doch m eine Neugierde siegte. „Das heißt, du gehst in eine Art Meditation?“
„Ja.“
„Okay“, gab ich gedehnt von mir und mich beschlich wieder das ungute Gefühl, dass ich David doch völlig falsch einschätzte, was seinen Charakter betraf. Ein ungutes Gefühl durchströmte mich, dennoch konnte ich mich nicht dazu aufraffen, diesem Gefühl nachzugehen, und außerdem wollte David ja auch nicht rausrücken mit seinen Beweggründen mir gegenüber, also schob ich die unguten Gefühle beiseite und beschloss, ihn einfach zu ignorieren. Ich zuckte mit den Schultern, weil er mich immer noch beobachtete, und sah dann demonstrativ gelangweilt in eine andere Richtung. Dabei fiel mein Blick auf meine Tasche, die neben dem Bett auf dem Boden lag.
Die hatte ich ja ganz vergessen. Ich lehnte mich hinaus, um sie an mich zu ziehen und durchwühlte sie nach meinem Mobiltelefon. Ich glaubte nicht wirklich, dass es hier unten funktionieren würde, David hatte es bestimmt auch schon versucht, und als ich es endlich in der Hand hielt zeigte es wie zur Bestätigung spöttisch „Kein Netzbetrieb“ an.
Seufzend schmiss ich es zurück in meine Tasche und warf einen prüfenden Blick in Davids Richtung, doch er hatte die Augen wieder geschlossen und saß völlig reg ungslos da. Wie lange wollte er das aushalten? Und würde es ihm etwas nützen?
Sein e Gelassenheit irritierte mich. Er wirkte in keinster Weise bestürzt über den möglichen Verlust seiner Fähigkeiten, über die Gefahr zu sterben. Konnte er wirklich so abgebrüht sein? Oder war das wieder alles nur Show, um mich zu verwirren? Nun, das gelang ihm erstaunlich gut.
Ich schüttelte den Kopf und konzentrierte mich wieder auf meine Tasche. Ich hatte einige Bücher dabei. Da ich hier nichts anderes tun konnte als ab zuwarten, konnte ich mir die Zeit genauso gut mit meiner Lieblingsbeschäftigung vertreiben. Ich hatte das Buch über Shakespeare dabei, das mir David geliehen hatte. Ich hatte noch nicht allzu viel darin gelesen und den Aufsatz für die Uni noch nicht verfasst. Also wieso die Zeit nicht nutzen? Ich konnte mich auf das Treffen mit den Dunklen nicht vorbereiten, zumindest hatte ich keine Ahnung wie, denn ich wusste ja nicht, was genau sie von mir wollten. Ich würde es einfach auf mich zukommen lassen und darauf hoffen, dass mein wechselhaftes Temperament, wie David es nannte, mich da irgendwie rausboxte.
Ich kuschelt e mich tief in die Decke hinein bis nur noch
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