Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
Treibens ganz in die tröstliche Atmosphäre meiner Lektüre.
Ein aufgeregtes Raunen vom Nachbartisch und das erneute irritierende Gefühl beobachtet zu werden, ließen mich jedoch nach einer Weile aufsehen. Unmittelbar neben mir saßen drei Studentinnen in meinem Alter, die ich nicht kannte, die mich aber mit großen, staunenden Augen und mit großem Getuschel musterten. Irritiert sah ich sie an und bemerkte, dass ihr Blick immer wieder ungläubig schräg hinter mich huschte. Verunsichert folgte ich ihrem Blick und sah gerade noch, wie einige Meter entfernt, ein Mann im dunklen Anzug sich schnell von mir wegdrehte und eiligen Schrittes aus der Cafeteria schritt.
Mein Her z setzte einen Schlag aus.
Ich hatte sein Gesicht nicht gesehen, doch die Statur kam mir vage bekannt vor. Nicht, dass er dem Angreifer von gestern Abend geglichen hätte. Nein, der war kleiner, schmächtiger und vor allem dunkler gewesen, und der Mann eben hatte dunkelbraunes, kurzes Haar gehabt, kein langes, schwarzes. Er erinnerte mich eher an jemanden anderen. Mein Herz schlug unmittelbar schneller, als mir bewusst wurde, an wen er mich erinnerte.
An David.
Ich schüttelte den Kopf, um den irrigen Gedanken loszuwerden. Was sollte David in der Cafeteria der Uni machen? Wieso sollte er mich beobachten? Das war unmöglich.
Ich musste mich getäuscht haben. Es war bestimmt nur ein Mann, der Ähnlichkeit mit ihm hatte. Und außerdem hatte er mich bestimmt auch nicht beobachtet. Die Studentinnen vom Nachbartisch hatten mich beobachtet. Warum auch immer.
Ich sah erneut zu ihnen hinüber, doch sie beachteten mich nicht mehr. Sie packten gerade ihre Sachen zusammen und verließen lachend die Cafeteria, mich keines weiteren Blickes mehr würdigend. Ich hatte mich bestimmt nur getäuscht und mir da was eingebildet. Nach dem Erlebnis gestern war ich wohl ein bisschen übersensibel.
Dennoch hatte ich ein mulmiges Gefühl im Bauch, das den ganzen restlichen Tag über anhielt. Ich konnte mich nicht mehr richtig konzentrieren und fühlte mich irgendwie fahrig. Ich hielt bis zur letzten Vorlesung aus, die erst um sechs Uhr endete, ging dann aber entgegen meiner üblichen Sitte sofort nach Hause, wobei ich einen anderen Weg als üblich nahm, um nicht Gefahr zu laufen, meinem nächtlichen Verfolger erneut über den Weg zu laufen. Vielleicht trieb er sich ja immer noch in der Gegend um den Falaffelladen herum und auf eine erneute Begegnung konnte ich wirklich verzichten.
Ich war erleichtert, als ich Mariannes Wohnungstür hinter mir zufallen ließ. Um gleich darauf wie angewurzelt an der Tür stehen zu bleiben.
„Hallo, Josephine.“
Seine Stimme klang warm und freundlich und das feine Lächeln auf seinen Lippen betonte sein ebenmäßiges, perfektes Gesicht. Lässig lehnte er an der Sofakante und wirkte mit seinem obligatorischen schlichten, feinen Anzug und dem weißen Hemd, das am Kragen locker aufstand, wie hindrapiert für einen Modekatalog.
David.
Den letzten Menschen auf Erden, den ich hier erwartet hätte, hätte ich überhaupt mit irgendjemandem gerechnet. Wie festgetackert blieb ich an der Wohnungstür stehen und sah ihn misstrauisch an. „Wo ist Marianne?“
Sein aufgesetzt wirkendes Lächeln verlor etwas an Strahlkraft, als er mein offensichtliches Missfallen über seine Anwesenheit bemerkte. „Sie ist im Badezimmer und zieht sich gerade um. Wir wollen ins Kino gehen.“
„Aha“, war alles, was ich herausbrachte, und bevor ich etwas Tiefsinnigeres von mir geben konnte, trat auch schon meine Schwester aus dem Badezimmer, glückselig strahlend von Kopf bis Fuß. Ich konnte mir vorstellen, was gerade in ihr vorging, auch wenn ich es nicht verstehen konnte. Was zum Teufel machte David hier? Und wie kam es, dass er sie ins Kino einlud? Wann lud ein Mann schon eine Frau ins Kino ein und holte sie dann auch noch bei sich zu Hause ab? Das roch verdächtig nach einem Date.
Aber was war dann mit der wunderschönen, perfekten Serafine? Ich konnte mir keinen Reim auf Davids Anwesenheit machen, aber ehrlich gesagt konnte ich mir nicht vorstellen, dass er ernsthaft etwas von meiner Schwester wollte. Da war irgendetwas in seinem Blick, die Art, wie er mich eindringlich ansah, was mich stutzig machte.
Deswegen blieb ich steif stehen und starrte ihn von meiner Position an der Tür aus misstrauisch an. Mir war klar, dass ich damit mal wieder völlig seltsam rüberkam, aber seine Anwesenheit in Mariannes Wohnung missfiel mir. Es war, als füllte er
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