Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
von Sekunden für seine Pläne zu gewinnen.
Ich atmete erleichtert aus. Sein Vorhaben gefiel mir. Das hieß, ich hätte die Wohnung den ganzen Tag für mich und das war genau das, was ich brauchte. Ein geruhsamer Tag in aller Einsamkeit. Mich würden heute keine zehn Pferde nach draußen bringen.
Marianne war erwartungsgemäß sofort Feuer und Flamme für seine spontane Idee und bat ihn, kurz zu warten, damit sie sich dem Anlass entsprechend umziehen konnte. Ich konnte mir ein leises Seufzen nicht verkneifen. Sie war bestimmt auch jetzt ganz passabel gekleidet, aber natürlich erforderte ein Picknick mit dem göttlichen David ein ganz anderes Ensemble.
Ich kuschelte mich zurück in meine Decke und schloss die Augen. Ich hatte noch nicht das Gefühl, schon wieder völlig hergestellt zu sein, also beschloss ich, noch ein bisschen weiter zu dösen. Mariannes Ausflug gab mir die beste Ausrede für einen faulen Samstag.
Ich hörte, wie Marianne erstaunlich schnell wieder auftauchte und David fragte, ob sie noch irgendetwas zum Essen mitnehmen sollte. Als ob unser Kühlschrank auf Picknicks ausgerichtet wäre.
„Nein, ich habe bereits alles, was wir brauchen, im Wagen. Was ist mit deiner Schwester? Willst du sie nicht fragen, ob sie mitkommen möchte?“
Ich erstarrte. Davids Stimme klang gleichgültig. Nebensächlich. Und doch meinte ich, eine gewisse Berechnung herauszuhören.
„Josephine? “, fragte meine Schwester überrascht. „Ich glaube nicht, dass sie da ist. Sie verlässt normalerweise das Haus in aller Herrgottsfrühe und ich sehe sie den ganzen Tag nicht mehr. Keine Ahnung, wo sie sich herumtreibt.“
„Sie ist in ihrem Zimmer.“
„Woher weißt du das?“ rief Marianne laut und ich gleichzeitig in Gedanken aus.
„Ich habe etwas gehört. Das ist doch ihr Zimmer, oder?“
Seine Stimme klang nun verdammt nah und ich verfluchte ihn im Stillen. Warum mischte er sich ständig in mein Leben ein?
Da ich hörte, wie Marianne auf mein Zimmer zukam, drehte ich mich schnell zur Wand und zog die Decke weit über den Kopf, so dass ich kaum zu sehen war. Immerhin klopfte sie an die Tü r, allerdings wartete sie keine Antwort von mir ab. Als sie die Tür öffnete, spürte ich förmlich Davids Blick auf mir, doch ich rührte mich nicht.
„Josephine! Du bist ja da! Und noch dazu noch im Bett. Was ist los? Bist du krank?“ Wenigstens schloss sie die Tür wieder hinter sich und da sie ernsthaft besorgt klang, drehte ich mich zu ihr um, wobei ich so tat, als wäre ich eben erst aufgewacht.
„Hmm, nein. Ich bin nur sehr spät ins Bett und bin noch müde.“
„Warst du etwa gestern Abend unterwegs?“ Es klang, als wäre es eine völlig absurde Idee, dass eine achtzehnjährige junge Frau, die eben ihr Studium an der Sorbonne begonnen hatte, an einem Freitagabend einen draufmachte. Wobei ich nur zu gut wusste, dass sie nur deswegen so überrascht klang, weil es sich bei dieser jungen Studentin um mich handelte.
„Wieso? Darf ich denn keinen Spaß haben?“ So schnell ließ ich mich von meiner Schwester nicht als Langweilerin abstempeln.
Sie gab ein prustendes Lachen von sich. „Sicher. Ich hab nur nicht damit gerechnet.“
Ich drehte mich wieder zur Wand und zog demonstrativ die Decke hoch ans Kinn. „Na, dann kannst du ja jetzt zukünftig damit rechnen.“
Ich sah förmlich vor meinem geistigen Auge, wie sie verwirrt den Kopf schüttelte, doch sie beließ es tatsächlich dabei und startete keinen Versuch, mich zu dem Ausflug zu überreden. Worüber ich ihr sehr dankbar war, denn ehrlich gesagt, konnte ich echt noch eine Mütze Schlaf gebrauchen und außerdem war mein Bedarf an David immer noch von letzter Woche gedeckt.
Ich tat, als schliefe ich bereits wieder ein, als sie ohne ein weiteres Wort das Zimmer verließ und sich ihrem unverhofften Besucher zuwandte.
„Sie war gestern Abend anscheinend etwas länger aus. Sie sieht ziemlich erschöpft aus und braucht noch ein paar Stunden Schlaf, bis sie wieder menschlic h wirkt.“ Ich hörte sie lachen.
Na, danke! Es geht doch nichts über eine liebende Schwester. Ich zog die Decke ganz über meinen Kopf, u m Davids Kommentar nicht hören zu müssen und kam erst wieder hervor, als ich die Haustür ins Schloss fallen hörte.
Wie herrlich! Ich hatte einen ganzen Tag für mich in dieser Wohnung. Das würde ich ausnutzen. Heute würde ich ganz bestimmt keinen Fuß vor die Tür setzen. Da konnte die Sonne noch so strahlen wie sie wollte. Ich hatte genug
Weitere Kostenlose Bücher