Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
zuvorkommend sein, aber Tatsache ist, er ist auch sehr verschwiegen. Und da er nicht gerade einen schüchternen Eindruck hinterlässt, macht ihn das ein bisschen suspekt. Versuch zumindest mehr über ihn herauszubekommen, bevor du ihm dein Vertrauen schenkst.“
Marianne seufzte ergeben auf. „Ja, du hast ja Recht. Er erzählt wirklich nicht viel von sich.“ Wir tauschten ein zögerliches Lächeln und Marianne verschwand in ihr Zimmer.
Und i ch fühlte mich plötzlich total unruhig. Nervös. Wie aufgedreht. Ich konnte es mir nicht erklären, aber auf einmal war ich gar nicht mehr müde, obwohl ich den ganzen Tag herumgehangen hatte wie ein Schluck Wasser.
Ich wäre am Liebsten nach draußen gegangen, an die frische Luft. Aber natürlich war das keine gute Idee, immerhin war schon später Abend und ich war nicht scharf darauf, diesem unheimlichen Typen schon wieder zu begegnen. Natürlich konnte ich mich schlecht für den Rest meiner Tage vor ihm verstecken. Allerdings war ich mir inzwischen sicher, dass der Typ nur Nachts eine Bedrohung für mich darstellte, immerhin hatte er behauptet, er hätte mich die ganze Zeit beobachtet, doch angesprochen hatte er mich erst in der Dunkelheit auf der nahezu menschenleeren Straße. Das war zwar seltsam, aber der Typ war ja auch seltsam.
Ich musste mir was einfallen lassen, wollte ich vermeiden, ihm noch mal zu begegnen. Seufzend machte ich den Fernseher aus, ging in mein Zimmer und ließ mich auf meine Matratze fallen. Mein Leben war zwar nervenaufreibender aber nicht gerade angenehmer g eworden, seit ich in Paris war.
Nachdem ich den ganzen Sonntag ebenfalls in Mariannes Wohnung verbracht hatte, da es den ganzen Tag wie aus Kübeln geregnet hatte, ging ich am Montag mit gemischten Gefühlen zur Uni. Auf der einen Seite war ich ängstlich, was mich wohl erwarten würde , auf der anderen Seite war ich wütend, weil ich mich von dem ganzen Vorfall so in Mitleidenschaft ziehen ließ.
Es war ein zweischneidiges Schwert. Die eine Seite von mir wollte sich am liebsten verkriechen und unsichtbar machen, die andere wollte den Typen zur Rede stellen und ihm zeigen, dass ich mich von ihm nicht verängstigen ließ. Dummerweise gewann keine der beiden Seiten die Oberhand und so lief ich den ganzen Tag rum wie Falschgeld.
Mal zuckte ich schreckhaft zusammen, wenn ich ein ungewohntes Geräusch hörte, dann wieder fuhr ich aufbrausend einen Kommilitonen an, der mich im Schlangestehen an der Cafeteria von hinten an gerempelt hatte. Ich fühlte mich in meiner eigenen Haut nicht wohl und erschrak über meine Launenhaftigkeit, die eigentlich eher ungewöhnlich an mir war. Allerdings half mir mein so ungewohntes launisches Temperament dabei, ein Fahrrad zu kaufen.
Das war nämlich mein Abhilfeplan. Zukünftig würde ich mit dem Fahrrad durch die Straßen von Paris sausen, so dass mich der Typ gar nicht zu fassen bekam, selbst wenn er schnell laufen konnte.
Ich hatte in Erfahrung gebracht, dass es in der Nähe der Uni einen Fahrradhändler gab, der ge brauchte Räder billig verkaufte und dem stattete ich gleich nach meiner letzten Vorlesung einen Besuch ab.
Er hatte tatsächlich eine ganz passable Auswahl, allerdings waren seine Preise nicht gerade das, was ich billig nannte. Er wollte hundert Euro pro Fahrrad und das waren fünfzig Euro mehr als ich erübrigen konnte. Im hintersten Teil des Ladens entdeckte ich allerdings ein Fahrrad, das meinen Vorstellungen ziemlich nahe kam. Es war ein altes Rennrad, das bereits an einigen Stellen rostete, und der Sattel sah aus, als hätte er die Tour de France schon mehrmals hinter sich gebracht, aber die Reifen waren in einem tadellosen Zustand und es sah funktionsfähig aus. Allerdings wollte der Händler auch dafür noch achtzig Euro.
„Interessiert?“, hörte ich den Verkäufer hinter mir fragen. Ich tat, als wäre ich mir nicht sicher und sah mir ein anderes Fahrrad genauer an, das allerdings hundertzwanzig Euro kostete.
„Ich suche ein schnelles Fahrrad“, bemerkte ich wenig hilfreich. Ich fühlte mich unwohl. Ich wusste, ich musste selbstbewusst rüberkommen und feilschen, wollte ich mich dem gewieften Verkäufer nicht völlig ausliefern, aber damit hatte ich in der Regel so meine Schwierigkeiten.
Er strich sich nachdenklich über das Kinn. „Hmm, Rennräder gibt es hier nicht so viele, weil sie kein Schutzblech haben. Eignen sich nicht so für den Stadtverkehr.“ Die Art wie er mich skeptisch musterte, machte mich noch nervöser.
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