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Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)

Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)

Titel: Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Louka
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Er sah mir bestimmt an, dass ich nicht gut im Feilschen war.
    „Tja, dann muss ich mich wohl woanders umsehen.“ Ich war nur allzu bereit, aufzugeben und wendete mich ab. Dem Ausgang zu.
    „Es sei denn, sie nehmen mit dem da Vorlieb.“
    Als ich mich umdrehte, bemerkte ich, dass der Verkäufer nachdenklich das alte Rennrad betrachtete. Ich riss mich zusammen und wagte einen Versuch. Wie schwer konnte es sein, ein Fahrrad zu kaufen? Ich betrachtete es abschätzig, als käme es nie für mich in Frage. „Ist schon ziemlich alt, das Teil.“
    Der Verkäufer kratzte sich am Kopf. „Aber es ist noch in Topform. Fast neue Reifen.“
    „Aber es rostet schon“, gab ich zu bedenken.
    „Ach, das ist nur oberflächlich. Da kann man drüber lackieren dann sieht es aus wie neu.“
    „Ja, aber dafür ist der Preis zu hoch. Das ist es mir nicht wert.“ Ich drehte mich erneut ab, um ihm Desinteresse vorzuspielen.
    „Ich geb’s ihnen für siebzig.“
    Ich drehte mich wieder um und sah, wie der Verkäufer mich fixierte. Er hatte Blut geleckt und wollte mir das Ding unbedingt verkaufen. Ich sah ihm einen Moment tief in die Augen und die Art, wie er mich ansah, verdeutlichte mir, dass er dachte, er könnte mit einem unbedarften Mädchen wie mir ein gutes Geschäft machen. Was augenblicklich mein launisches Temperament in die wütende Richtung schwenken ließ. Dachten denn gerade alle sie könnten mit mir ihre Späßchen treiben?
    Ich schnaubte erbost auf. „Das Ding ist keine siebzig Euro wert. Ich biete ihnen dreißig.“ Ich sah ihm finster direkt in die Augen und rief ihm in Gedanken gebieterisch zu: „Wenn du denkst, ich wäre für blöd zu verkaufen, dann wirst du mich kennenlernen. Heute ist kein guter Tag, um mich zu verärgern.“
    Der Mann blinzelte, machte kurz ein völlig verwirrtes Gesicht und sagte dann zu meinem größten Erstaunen mit einem leicht ängstlichen Blick: „Okay. Schon gut. Ich gebe es ihnen für dreißig.“
    Verdutzt starrte ich ihn an. Doch er schien es ernst zu meinen, denn er packte das Fahrrad, schob es zum Verkaufstresen und tippte etwas in seine Kasse ein. Ich folgte ihm verwirrt und hielt ihm die dreißig Euro hin, die er erneut von mir für das Fahrrad verlangte, wobei verlangen nicht direkt die richtige Beschreibung war, denn er wirkte eher irgendwie unterwürfig wie er mich um das Geld bat.
    Total perplex schob ich das Fahrrad aus dem Laden. Hatte ich eben tatsächlich ein Fahrrad von achtzig Euro auf dreißig heruntergehandelt? Ich war noch nie gut im Handeln gewesen. Eigentlich eine absolute Niete, weil ich einfach kein gutes Pokerface zustande brachte. Bevor der Verkäufer es sich anders überlegte, schwang ich mich auf meine Neuerwebung und fuhr los.
    Es fühlte sich großartig an. Irgendwie freier. Ich fuhr ein Stück Richtung Seine und konnte kaum fassen, was ich eben erlebt hatte. Ich hatte einen sensationellen Deal gemacht. Das Fahrrad war perfekt. Sogar der Sattel war bequem. Ich hatte ein deutig ein Schnäppchen gemacht!
    So fühlte sich also meine Schwester, wenn sie beim Lagerverkauf eines Designers ein vergünstigtes, hochwertiges Kleidungsstück ergatterte. Jetzt konnte ich ihren Jubel nachvollziehen. Ich liebte dieses Fahrrad augenblicklich und fragte mich, warum ich nicht schon früher auf diese Idee gekommen war. Gemütlich strampelte ich zum Seineufer. Es war ein ganz anderes Gefühl, Paris auf dem Fahrrad zu erobern. Es machte Spaß und ich fühlte mich viel freier. Irgendwie unabhängiger. Und während ich so das Seineufer entlang strampelte, fühlte ich mich zum ersten Mal seit ich hier war, in Paris angekommen. Und das ausgerechnet wegen eines Fahrrades!

In den folgenden Tagen fühlte ich mich dank meines neuen Unabhängigkeitsgefühls wieder besser, auch wenn die Stimmungsschwankungen nicht ganz zurück gingen und auch das Gefühl, beobachtet zu werden, nie ganz nachließ. Auch verspürte ich immer wieder diesen seltsamen Druckschmerz in meinem Kopf. Doch ich war so mit Arbeit zugeschüttet, dass ich es schaffte, sowohl meine seltsamen Befindlichkeiten, wie auch meinen unheimlichen Verfolger irgendwie in den Hintergrund zu drängen.
    Nachdem ich den ganzen Tag über einer Übersetzung eines altgriechischen Textes gesessen hatte, das Teil einer Hausaufgabe war, kam ich Freitagabend müde und irgendwie erschlagen nach Hause, wo mich eine sichtlich aufgedrehte Marianne erwartete. Sobald ich die Tür aufschloss, kam sie mir mit einem tänzelnden Schritt entgegen

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