Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
und strahlte mich an, als wäre ich der Weihnachtsmann.
„Wir gehen zu einer Soiree von Lamentain!“, platzte sie aufgeregt heraus, bevor ich auch nur ganz durch die Tür getreten war.
„Was?“ Ihr ungewohnter Überschwang irritierte mich ein wenig und ich hatte keine Ahnung, von wem oder was sie sprach. Wir hatten uns die ganze Woche über nicht unterhalten und ich hatte den Eindruck, sie wäre mir aus dem Weg gegangen, doch jetzt strahlte sie mich offen an.
„Wir gehen zu einer Soiree von Lamentain!“, wiederholte sie mit derselben Begeisterung, ohne weitere Erklärungen beizufügen und hüpfte vor mir herum wie eine Fünfjährige, die eben eine neue Puppe zum Spielen geschenkt bekommen hatte.
„Aha“, war der einzige, etwas verwirrt klingende Kommentar, der mir dazu einfiel.
„Lamentain!“, rief sie überwältigt aus, und da ich sie weiterhin ansah wie ein Auto, warf sie mir ein Zusatzhäppchen hin. „Der beste Designer, den es momentan in Paris gibt.“
„Aha“, sagte ich lahm. Die Erwähnung eines Designers versetzte mich nicht gerade in Entzückung. Mode war eben nicht mein Thema. Doch Marianne schien meinen fehlenden Enthusiasmus entweder nicht wahrzunehmen oder sie ignorierte ihn einfach, denn sie zog mich energisch ins Wohnzimmer vor das Sofa, auf dem eine riesige Einkaufstüte lag.
Gespannt sah sie mich an, als müsste ihr Verhalten und diese überdimensionale Tüte mir irgendetwas mitteilen.
„Äh, kannst du mal bitte Klartext reden?“, bat ich sie um eine Erklärung ihres seltsamen Verhaltens.
Sie lachte hell auf und sah mich mit einem feierlichen Blick an. „Wir gehen auf eine Soiree von Lamentain“, wiederholte sie erneut betont langsam und deutlich, als wäre ich schwer von Begriff .
Was ich tatsächlich war, denn ich begriff immer noch nicht, was sie daran so begeisterte. „Ja, das sagtest du bereits dreimal. Nur sagt mir dieser Lamentain nichts. Und wenn du ‚wir’ sagst, meinst du dann wir?“ Ich zeigte zwischen ihr und mir hin und her und sie grinste mich an, als hätte ich den Jackpot geknackt.
„Ja, genau! Du und ich und Brigitte und Julien, Martin und Sebastien. Wir alle gehen morgen zu einer der hammermäßigsten Veranstaltungen des Jahres. Die Creme de la Creme von ganz Paris wird da sein, wenn Lamentain seine neue Kollektion vorstellt. Und wir sind mittendrin!“ Sie klatschte vor Begeisterung aufgeregt in die Hände. Ich konnte nicht behaupten, dass ich ihre Aufregung teilte, aber da sie sich darüber so immens zu freuen schien und außerdem mich tatsächlich anscheinend auch dabei haben wollte, versuchte ich ein erfreutes Gesicht aufzusetzen.
„Wow. Das ist also eine ganz besondere Soiree.“
Marianne schien meine schlechte Schauspielkunst nicht zu bemerken. „Ja! Das ist sie. Sie ist der Hammer! Die großartigste Veranstaltung des Jahres! Hach, ich bin so aufgeregt deswegen! Ich werde die ganze Nacht kein Auge zumachen können.“
Sie hüpfte begeistert durch das Wohnzimmer und so langsam belustigte mich ihre kindische Freude und ich musste tatsächlich lächeln. „Wie kommt es, dass wir zu der großartigsten Veranstaltung des Jahres eingeladen werden?“
Im selben Moment, wie ich die Frage stellte, kannte ich die Antwort und meine gute Laune fiel unmittelbar wieder in sich zusammen.
„David hat uns die Eintrittskarten besorgt“, bestätigte mei ne Schwester meinen Verdacht.
„Na, klar“, murmelte ich leise und zog ein finsteres Gesicht. Meine Schwester bekam von meinem Stimmungsumschwung nichts mit, denn sie war immer noch damit beschäftigt, aufgeregt durchs Wohnzimmer zu hüpfen. „Ähm, morgen hast du gesagt?“, begann ich möglichst sachlich zu fragen. „Da kann ich nicht. Da habe ich ein … Treffen wegen meiner Seminararbeit“, fügte ich zögerlich hinzu, weil mir auf die schnelle nichts Besseres einfiel.
Marianne wandte sich mir endlich zu und sah mich an, als wäre ich völlig verrückt. „Das musst du absagen. Du musst mit zu der Soiree.“
Sie sagte das so bestimmt, dass ich hellhörig wurde. „ Ich muss? Warum denn?“
Sie legte ihren Kopf schief, sah mich nachdenklich an und kam dann langsam auf mich und das Sofa zu. „Deswegen.“ Sie zeigte auf die überdimensionale Tüte, die fast das ganze Sofa einnahm.
„Was ist das?“ Ich sah verwirrt zwischen der Tüte und meiner Schwester hin und her. Meine Schwester schwieg einen Moment und über ihr Gesicht flogen die unterschiedlichsten Emotionen. Unsicherheit, Zögern,
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