Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
bestehen, dass ich ihn zu irgendetwas begleitete. Ich entschied für mich alleine, wen ich wann wie wohin begleitete. Allein die Vorstellung, dass David tatsächlich glaubte, er könnte mich mit einem dämlichen Kleid bestechen, machte mich mehr als wütend.
„Das verstehe ich auch nicht ganz“, entgegnete mir Marianne barsch. Dann wurde ihre Stimme weicher. „Aber ich könnte mir vorstellen, dass er mir damit zeigen will, dass er über deinem kindischen Verhalten steht und es mir nicht nachträgt. Er will vielleicht nicht, dass das zwischen uns steht.“
Ich biss mir auf die Zunge bei ihrem hoffnungsvollen Ton. Ihre Theorie würde bei jedem anderen Mann vielleicht einen Sinn ergeben, nicht aber bei David. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen, was er mit dieser Aktion bezweckte, aber ich war mir ziemlich sicher, dass er nicht wirklich an meiner Schwester interessiert war. Aber ich hütete mich, das meiner Schwester unter die Nase zu reiben. Darauf würde sie selber noch kommen.
„Nun, ich werde bestimmt nicht zwischen euch stehen. Im Gegenteil. Mir ist es das Liebste ihr haltet mich da raus. Gib ihm das da zurück“, ich zeigte mit Abscheu auf die Tüte, „und habt einen schönen Abend.“ Ich drehte mich weg und wollte in mein Zimmer gehen.
„Oh, nein! Das wirst du mir nicht antun“, rief mir meine Schwester mit erstaunlich scharfem Ton nach, so dass ich mich überrascht zu ihr umdrehte. „Du wirst mitgehen und dich mal einen ganzen Abend lang normal verhalten. Du versaust mir das nicht.“ Sie hatte bestimmt ihre Hände in die Seiten gestemmt und sah mich angriffslustig an.
„Glaub mir, ich versaue dir das mehr, wenn ich mitgehe“, versuchte ich sie vom Gegenteil zu überzeugen. „Du weißt, dass ich nicht gerade auf diesen Modekram stehe und deswegen bezweifle ich, dass ich allzu viel Sp aß an der Soiree morgen haben werde.“
„Dann wirst du eben so tun, als ob du mordsmäßig viel Spaß hättest.“ Mariannes Stimme klang unerbittlich.
„Ach, komm schon, Marianne. Du weißt, dass das nicht funktionieren wird. Sei froh, wenn ich dir nicht dazwischenfunke.“
„David will, dass du dabei bist, das hat er ausdrücklich betont und deswegen kommst du mit.“
„Ach? David hat also zu bestimmen, was ich tue?“
„In diesem Fall ja, denn er hat dir ein Kleid von Jean Matisse gekauft.“ Als würde das alles erklären, funkelte auch Marianne mich nun zornig an.
„Ach, ja richtig. Ich vergaß, dass du in einer Jane Austen Traumwelt lebst und dich gerne von Oberflächlichkeiten blenden lässt. Er kauft dir ein Kleid und schon ist er der Held in strahlender Rüstung.“ Ich stieß verächtlich den Atem aus. „Vergiss es. Dieses Kleid von wem auch immer kann er sich selbst umhängen.“ Wäre mir David jetzt unter die Augen getreten, ich hätte ihn erwürgt. Glaubte, mich mit einem Kleid kaufen zu können. Für wie dämlich hielt der mich eigentlich? Oder wollte er sich damit auf paradoxe Weise für meine Behauptung, er sei suspekt, revanchieren, indem er sich öffentlich als der große, verständnisvolle Gönner darstellte, der der kleinen, armen, verlumpten Studentin einen Auftritt in der großen Welt der Designer ermöglichte? Die Wut in meinem Bauch nahm erstaunliche Ausmaße an. Doch bevor ich etwas hinzufügen konnte, kam mir Marianne zuvor.
„Rede nicht in diesem Ton mit mir. Ich verstehe auch nicht, warum er ausgerechnet dir ein Kleid gekauft hat und nicht mir! Und dann auch noch ausgerechnet von Jean Matisse! Einem aufstrebenden Jungdesigner, der nicht gerade günstig ist. Aber letztendlich zeugt das von seinem guten Geschmack. Wahrscheinlich tut er das nur aus Eigennutz. So schlampig wie du sonst herumläufst. Er wird sich wohl nicht mit dir blamieren wollen. Und mir das auch nicht zumuten wollen.“
Auch wenn ich immer noch wütend auf David und zwischenzeitlich auch auf Marianne war, diese Kritik traf mich. Schließlich war es nicht von der Hand zu weisen, dass ich, was mein Aussehen betraf, unter der Kategorie graue Maus lief. Dass David das unangenehm aufgefallen war, war bei seinem tadellosen Erscheinungsbild nicht weiter verwunderlich und dass er auf besser gekleidete, schönere Menschen stand, lag auch auf der Hand. Doch anstatt deswegen noch wütender auf ihn und die Unterstellung, ich wäre zu hässlich zum Vorzeigen, zu werden, stimmte mich diese Erkenntnis seltsamerweise trübsinnig. Meine Wut sank in sich zusammen und ließ nur einen grauen Dunst in meinem Inneren
Weitere Kostenlose Bücher