Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
zurück. „Na dann ist es doch das Beste, ich tauche gleich gar nicht erst auf. Dann wird keiner von uns blamiert. Du kannst ja das Kleid tragen.“
Marianne musterte mich einen Moment eingehend, dann atmete sie tief durch und ihr Blick wurde ernst. „Er hat es für dich gekauft, nicht für mich. Du gehst morgen mit, weil du mir einen Gefallen schuldig bist. Und du wirst dieses Kleid tragen, weil du David einen Gefallen schuldig bist. Darüber gibt es keine Diskussion mehr. Es ist mir egal, was du davon hältst. Ausnahmsweise wirst du tun, was ich dir sage, immerhin lebst du unter meinem Dach.“ Als wäre damit alles gesagt, riss sie energisch die Tüte vom Sofa hoch und hielt sie mir auffordernd hin. „Mach auf. Ich will sehen, was er gekauft hat.“
Ich zwickte die Augen zusammen und dachte kurz darüber nach, ihr das Kleid mitsamt der Tüte trotzig vor die Füße zu werfen, doch ich sah ihr an, dass sie am Ende ihrer Geduld war. Wenn ich nicht aufpasste, würde sie mich tatsächlich gnadenlos aus ihrer Wohnung werfen und dann hätte ich den Salat. Solange ich auf ihre Wohltätigkeit angewiesen war, sollte ich wohl etwas entgegenkommender sein. Und wenn es ihr so wichtig war, mich auf diese Veranstaltung mitzunehmen, auch wenn ich überhaupt nicht verstand warum, dann musste ich wohl oder übel in den sauren Apfel beißen.
Aber David wollte ich ganz deutlich zeigen, was ich von ihm hielt. Er sollte sich bloß von mir fern halten und er br auchte nicht zu erwarten, Dankesbekundungen von mir hören weil er mir ritterhaft ein Kleid besorgt hatte. Aus welchen Gründen auch immer.
Mürrisch nahm ich die große Tüte entgegen und fischte den Karton heraus, der darin verborgen war. Ich legte ihn auf das Sofa und schlug den Deckel zurück. Rosa Seidenpapier erwartete uns, und als ich es z urückschlug verschlug es mir die Sprache. Auch meine Schwester zog geräuschvoll die Luft ein, und da ich völlig reglos darauf starrte, griff sie an mir vorbei und zog das Kleid aus dem Karton.
Es war das tiefblaue Kleid aus dem Designerladen, in dem meine Schwester und ich vor einigen Wochen unerwartet auf David gestoßen waren. Das mit der stilvollen Blütenstickerei auf dem Dekolleté. Das, das ich bewundert hatte, kurz bevor ich David im Laden entdeckt hatte. Kurz bevor er uns Serafine vorgestellt hatte. Ich starrte auf das Kleid, als wäre es eine Erscheinung.
„Wow“, rief meine Schwester ehrfürchtig aus. „Das ist ...“, sie stockte und sah ungläubig auf das Kleid in ihren Händen.
Ihre zerbrechliche Stimme und die traurige Verwirrung darin, rissen mich aus meiner Starre. Ich sah sie an und bemerkte, wie sie irritiert die Stirn kraus zog und das Kleid nachdenklich betrachtete.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich verstand es ja selbst nicht. Wieso schenkte David mir dieses Kleid? Es war ein Traum von einem Kleid und definitiv nicht meine Liga. Mir schoss der Preis des Kleides durch den Kopf und ich musste schwer schlucken. Meine Knie wurden ganz zittrig. Ich verstand die Welt nicht mehr.
Marianne ließ das Kleid zurück in den Karton fallen und zog ein unbeeindrucktes Gesicht hin.
„Ganz nett. Er hat einen guten Blick. Das Kleid wird deine blauen Augen betonen.“ Damit drehte sie sich um und ging in ihr Zimmer. Sie ließ ihre Tür allerdings entgegen ihren gelassen gesprochenen Worten etwas zu laut zuknallen.
Ich konnte es ihr nic ht verdenken. Das Kleid war unglaublich schön und ich war genauso verwirrt darüber wie Marianne. Ganz vorsichtig hob ich es hoch und betrachtete es erneut. Es war genauso wunderschön, wie in meiner Erinnerung. Das leuchtende Indigoblau wirkte lebendig und der Stoff war so unsagbar leicht und weich, dass er wie Wasser durch meine Hände floss. ‚Wie sonnendurchflutetes Meerwasser’, schoss es mir durch den Kopf. Wie konnte David mir etwas so Wunderschönes schenken? Einfach so? Noch dazu nachdem er erfahren hatte, dass ich ihn für suspekt hielt?
Ich wollte das Kleid zurück in den Karton legen, als ich eine weiße Karte darin entdeckte. Mit zittrigen Händen nahm ich sie und klappte sie vorsichtig auf. Ich wusste, dass das eine Nachricht von David war, aber ich war mir nicht sicher, ob ich wirklich lesen wollte, was er mir zu sagen hatte. Er hatte eine wunderschöne Handschrift.
In geschwungenen, gleichmäßigen Lettern stand dort geschrieben: „An diesem Abend wirst Du auf keinen Fall die unscheinbare, reizlose, kleine Schwester sein, für die Du Dich hältst, und
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