Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
dabei bestimmt nicht von ihrer kleinen Schw ester die Schau stehlen lassen.
Allein dafür hätte ich David hassen können, dass er mich in eine so blöde Zwangslage gegenüber Marianne brachte. Sie war sauer auf mich, wegen des Kleides und das, obwohl ich nichts dafür konnte. Sie hatte mir das Versprechen abgenommen, dass ich mich den ganzen Abend lang zusammenreißen und ein freundliches Gesicht machen würde. Vor allem gegenüber David. Letzterem hatte ich zwar zähneknirschend zugestimmt, aber ich war mir ziemlich sicher, dass ich das nicht würde durchhalten können. Allein bei dem Gedanken, David zu begegnen, zogen sich meine Eingeweide zusammen. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, wie es sein würde, wenn ich ihm tatsächlich gegenüber stand.
Ich war mir immer noch nicht im Klaren darüber wie ich ihm entgegentreten sollte. Mit eisigem Blick strafen oder völlig ignorieren? Eins war mir jetzt schon klar. Ein freundliches Lächeln würde mir äußerst schwer fallen.
Ich hatte keine Ahnung , wie ich den Abend überstehen sollte, und außerdem ein bisschen Schiss vor meinem eigenen Temperament. Das war ja in letzter Zeit etwas dynamisch und unberechenbar. Und außerdem ließ ich mich von keinem manipulieren. Weder von meiner Schwester noch von David. Sollten die beiden doch unter sich klären, was sie voneinander wollten und mich da raus lassen.
Nachdem ich eine für mich äußerst untypisch lange Zeit im Bad verbracht hatte, ging ich zurück in mein Zimmer und stand dann eine gefühlte Ewigkeit vor dem Kleid, weil ich mich nicht dazu überwinden konnte, es anzuziehen.
Es roch irgendwie nach Davids Manipulationstaktik. Und ich fühlte mich wie eine gekaufte Braut, obwohl das mit Sicherheit Davids letztes Ansinnen war, dennoch meinte ich die Fäden zu spüren, die durch das Kleid mit David s Händen verbunden waren.
Widerwillig stieg ich schließlich hinein und schloss den Verschluss im Nacken. Es passte wie angegossen. Der Stoff fiel leicht und fließend an mir herunter und fühlte sich kühl und schmeichelnd an auf meiner Haut. Zum Glück war es ein langes Kleid, so dass nicht allzu viel nackte Haut zu sehen war. Auch das Oberteil war ziemlich züchtig. Nur meine Schultern und Arme und mein oberer Rücken waren frei, der Rest meines Körpers wurde umschmeichelt von zartem, leicht fallendem Stoff. Ich schlüpfte in die hohen Schuhe, die mir Marianne für den Abend lieh, zum Glück hatten wir dieselbe Schuhgröße, ich hatte nämlich nichts Vergleichbares in meiner überschaubaren Schuhkollektion, und trat schließlich hinaus auf den Flur, um mich in dem großen Spiegel, der neben der Eingangstür hing, zu betrachten.
Langsam, beinahe ehrfürchtig trat ich vor den Spiegel. Ich hatte ein bisschen Angst davor, was mich erwartete und als ich in das Spiegelbild sah, entwich mir ein lautes, verblüfftes Schnauben.
Das Kleid saß perfekt. Tatsächlich wie für mich gemacht. Ich erkannte mich selbst kaum wieder. Das leuchtende Blau wirkte beinahe unwirklich an meiner blassen Haut und wie von Marianne orakelt, brachte es meine blauen Augen zum Strahlen. Ich hatte ein wenig Make-up aufgelegt und mir ausnahmsweise mal Mühe mit meinen Haaren gegeben, und sie locker zu einer Hochsteckfrisur hochgesteckt, wobei einige lose lockige Strähnen mein Gesicht umschmeichelten und alles in allem wirkte ich wie ein ganz anderes Mädchen. Völlig baff starrte ich mein eigenes Spiegelbild an.
Plötzlich tauchte Marianne hinter mir auf, mein erstickter Ausruf hatte sie wohl aus ihrem Zimmer gelockt. Sie trug noch ihren Morgenmantel und starrte mich schweigsam an. Unsere Blicke trafen sich im Spiegel und ich meinte, so etwas wie ein schmerzliches Aufflackern in ihren Augen wahrzunehmen, doch sie sah sofort wieder weg und verkündete mit tonloser Stimme: „David hat ein erstaunlich gutes Augenmaß.“ Das war alles. Dann drehte sie sich wieder um und ging zurück in ihr Zimmer.
Mir war unbehaglich zumute. Mehr als unbehaglich. Ich wusste, dass das, was ich eben in Mariannes Augen gesehen hatte, eindeutig Neid gewesen war und erneut verfluchte ich David. Wieso brachte er mich in eine so miese Situation? Was dachte er sich dabei, Marianne so zu brüskieren? Das Kleid war ein Traum und deswegen war es nicht schwer, gut darin auszusehen, selbst für mich, und Marianne musste sich stark unter Druck gesetzt fühlen, um mit einem eigenen Outfit gegenhalten zu können. Wa s wollte David damit bezwecken?
Jetzt war ich wieder richtig
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