Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
hier von düsteren Typen verfolgt und von David zu Veranstaltungen gezwungen, zu denen ich definitiv nicht hinwollte? Nun wurde es mir aber wirklich zu bunt. „Es gibt nur einen, der hier einen selbstverliebten Egotrip durchzieht, und das ist David. Und wenn du das immer noch nicht erkannt hast und meinst, er würde in irgendeiner Art und Weise auf dich stehen, dann bist du dämlicher als ich gedacht habe. David ist ein Manipulator. Ein egoistischer Strippenzieher, dem nur sein eigenes Wohl am Herzen liegt und sich dabei möglichst geheimnisvoll gibt, um Interesse zu wecken. Er tut nur, was ihm persönlich von Nutzen ist. Du interessierst ihn nicht, weil du ihm nichts geben kannst, was er nicht schon hätte. Denn was sollte er mit dir anfangen, wenn er die perfekte Serafine haben kann? Kapier das doch endlich!“ Ich wusste, ich war zu weit gegangen, aber die Wut schwelte in mir wie ein heißer Feuerball und ich konnte mich selbst nicht mehr bremsen. Die Wut wollte raus. Ich sah, wie Marianne entsetzt von meinen Worten die Augen weit aufriss und mich fassungslos anstarrte. ‚Sag jetzt nichts mehr’, rief ich ihr in Gedanken verzweifelt zu, weil ich meinem eigenen Temperament nicht mehr traute und tatsächlich sah sie mich nur weiter fassungslos an und sagte kein Wort. Ich musste meine ganze Willenskraft aufbringen, um mich umzudrehen und in mein Zimmer zu gehen, ohne einen weiteren bösen Kommentar hinterher zu schieben.
Zitternd sank ich auf meine Matratze und fragte mich, was in mich gefahren war, dass ich meine Schwester derart anblaffte. Nur weil ich David nicht ausstehen konnte, hieß das noch lange nicht, dass ich meine Schwester dafür verurteilen konnte, dass sie sich in ihn verliebt hatte.
Bangend lauschte ich in die Wohnung hinein, halb befürchtend, dass Marianne aufgebracht in mein Zimmer gestürmt kam und mich hochkant aus ihrer Wohnung warf. Was ich ihr nach diesem Auft ritt nicht mal verübeln könnte.
Was war ich gemein gewesen! Wo kam das bloß her? Ich hatte nie zu den Menschen gehört, die aggressiv wurden. Aus welchem Anlass auch immer. Das Schlimme war jedoch, dass ich keinen Anlass gehabt hatte. Ich hatte gewusst, dass David nicht gerade Luftsprünge machen würde, wenn er erfuhr, dass ich ihn mit meinem Angebot an Gerard Battinant ausgebootet hatte. Ich hatte es ja nicht anders gewollt. Eigentlich müsste ich schadenfroh sein, dass er sich tatsächlich darüber ärgerte. Aber warum fuhr ich deswegen meine Schwester an? Sie konnte an der ganzen Geschichte doch am wenigsten dafür.
Seit ich in Paris war, hatte sich mein Leben nicht gerade zum Besseren gewendet. Obwohl ich dem einsamen, eintönigen Landleben entkommen war, konnte ich nicht behaupten, dass mein Leben hier viel geselliger und lebhafter geworden wäre. Nur anstrengender und aufwühlender. Und nervenaufreibender. Ich rieb mit meinen Fingern über meine pochende Stirn. Was war das nur für eine Unruhe in mir, die mich stets in den Nachtstunden überfiel? Es war, als sehnte ich mich nach irgendetwas. Etwas, das diese seltsame Gier in meinem Bauch beruhigte. Doch ich wusste nicht, was es war. Gleichzeitig spürte ich einen seltsamen Kopfdruck, der neu war. Anders als der, den ich bisher empfunden hatte. Irgendwie drängender und tiefsitzender. Als würde auch er mich auf etwas aufmerksam machen wollen. Irgendetwas stimmte nicht mit mir, das war mir klar. Vielleicht war ich krank und sollte mich mal von einem Arzt untersuchen lassen. Doch ich mochte Arztbesuche nicht und da es mir in der Mittagszeit immer wieder gut ging, verdrängte ich das Ganze so gut wie irgend möglich.
Obwohl ich Bammel vor einer Begegnung mit Marianne hatte, sah ich sie die ganzen nächsten Tage nicht ein einziges Mal. Was zum einen wohl daran lag, dass ich versuchte, möglichst wenig Zeit in der Wohnung zu verbringen und zum anderen daran, dass auch sie mir seltsamerweise aus dem Weg ging. Da mein wechselhafter launischer Zustand sich nicht zum Besseren veränderte, war es wahrscheinlich auch das Beste, wenn mir die Menschen aus dem Weg gingen.
Auch an jenem späten Nachmittag wollte ich nach der Vorlesung unbehelligt in die Bibliothek verschwinden und war gerade auf dem Weg dorthin und völlig in ein Buch vertieft, als ich volles Karacho frontal mit jemandem zusammenstieß.
„Autsch“, entfuhr es mir laut, als meine Stirn gegen eine knochige Schulter krachte. Mein Buch fiel zu Boden und meinem Gegenüber segelten ebenfalls diverse Bücher und Hefte
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