Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
kommen und dass er mich daraufhin seltsam angesehen hatte. Al les Weitere war gähnende Leere.
Ich hatte keine Ahnung, wie ich hierher gekommen war. Doch zu meinem Leidwesen erinnerte ich mich nur allzu deutlich an all das, was zuvor geschehen war. Ich legte mir den Arm übers Gesicht und stöhnte leise auf. Wenn ich doch das alles vergessen könnte.
Ich hörte, wie im Hintergrund leise eine Tür aufging und jemand auf mich zukam. „Hier, trink das“, forderte David mich mit sanfter Stimme auf.
Ich reagierte nicht. Ließ meinen Arm schützend über meinen Augen liegen und hielt meine Augen geschlossen. Ich hatte absolut kein Bedürfnis, David anzusehen, geschweige denn mit ihm zu reden.
„Na, los. Das wird dir gut tun“, beharrte er immer noch mit besänftigender Stimme, doch ich ließ mich von ihm nicht mehr täuschen.
„Wieso ? Willst du mich jetzt vergiften? Machst mich gefügig, kidnappst mich und jetzt muss ich dran glauben, weil ich weiß, dass du Gedanken lesen kannst?“
Ich hörte David zischend einatmen. „Ich vergifte keine Menschen. Das ist nur Wasser.“
Ich gab meine Schutzposition nicht auf. „Ja, das hat schon so mancher Fiesling behauptet. Mit einem scheinheiligen Grinsen im Gesicht, das seinen Worten Lüge straft. Ich bin vielleicht seltsam, aber nicht dumm.“
David seufzte theatralisch auf. „Wenn du die Augen aufmachen würdest, würdest du sehen, dass ich nicht grinse. Weder scheinheilig noch sonst irgendwie.“
„Das hast du auch gar nicht nötig, denn sobald ich die Augen öffne manipulierst du mich wieder mit deinem Blick gegen meinen Willen und ich trinke ergeben alles, was du mir hinhältst. Also vergiss es.“
David erwiderte nichts. Aber das war auch gar nicht nötig, ich spürte seinen intensiven, durchdringenden Blick auch so auf mir. Mehr als mir lieb war. Ich konnte mir leibhaft vorstellen, wie er hoch aufgerichtet vor mir stand und mit abschätziger Miene auf mich hinunter sah. Mir wurde bewusst, wie angreifbar ich vor ihm lag und zog die Beine noch mehr zum Körper und presste den Arm fester auf meine geschlossenen Lider. Zum Aufstehen fühlte ich mich noch zu schwach. Ich brauchte noch ein paar Minuten.
David seufzte ergeben auf. „Ich tue dir nichts, Josephine. Ehrenwort. Es tut mir Leid, dass ich dich eben schachmatt gesetzt habe.“ Seine Stimme klang aufrichtig und tatsächlich einen Tick reuevoll. „Aber ich hatte keine andere Wahl. Ich konnte nicht zulassen, dass du gehst. Nicht nach dem, was zwischen uns vorgefallen ist.“
Ich ließ seine Worte einen Moment auf mich wirken. Immerhin gab er zu, mich außer Gefecht gesetzt zu haben. „Was ist denn zwischen uns vorgefallen?“
„Darüber sollten wir uns unterhalten, wenn du bereit bist, mir ins Gesicht zu sehen. Und das sage ich nicht, weil ich dich in irgendeiner Art und Weise mit meinem Blick manipulieren will, sondern weil ich an einer ernsthaften Unterhaltung mit dir interessiert bin, bei der du mir ebenbürtig gegenübersitzt. Und dabei nützt es mir nichts, wenn du ohnmächtig bist. Ich lass dich jetzt ein wenig allein, damit du deine Kräfte sammeln kannst. Aber denk nicht mal daran, verschwinden zu wollen, bevor wir uns unterhalten haben.“ Ich spürte, wie David sich wegbewegte. „Und ich rate dir , das Wasser zu trinken. Es hilft, das Pochen im Kopf zu beruhigen.“
In der Ferne wurde leise eine Tür geschlossen und ich war wieder alleine in dem dämmrigen Raum. Doch es dauerte noch einige Minuten, bis ich es wagte, den Arm von meinen Augen zu nehmen und meinen Körper langsam zu entspannen. Vorsichtig öffnete ich die Augen und als ich es endlich schaffte, sie scharf zu stellen, nahm ich me ine Umgebung etwas klarer wahr.
Ich lag auf einem breiten Sofa, vor mir stand ein Couchtisch mit einem Glas Wasser darauf. Dahinter erkannte ich einen Sessel und noch weiter dahinter ein gut bestücktes Bücherregal. Von rechts kam abgedunkeltes Tageslicht herein, da musste also ein Fenster sein. Ganz langsam richtete ich mich halb auf und sah mi r auch den Rest des Zimmers an.
Links von mir, hinter dem Sofa , waren weitere Bücherregale, die mich unter anderen Umständen sofort angezogen hätten, so prall gefüllt wie sie waren. Neben dem Sofa stand ein weiterer Sessel und an der Wand dahinter prangte ein breiter Kamin. An der Wand entlang ging eine einzige Tür ab. Dahinter musste sich David befinden. Es gab also keine Möglichkeit zur Flucht. Es sei denn, das Fenster ließ eine Option offen. Doch
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