Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
reinkommen?“
Ich schnaubte verächtlich auf und wandte sofort den Kopf von ihm ab. Ich glaubte immer noch, dass es cleverer war, seinen direkten Blick zu meiden. „Da das dein Zimmer ist und ich deine Gefangene bin, halte ich diese Frage für überflüssig.“
David seufzte ergeben auf, blieb aber stehen, wo er war. „Du bist nicht meine Gefangene, Josephine. Du bist mein Gast. Und als solcher möchte ich, dass du dich wohlfühlst.“
„Pah . Du kannst dir dein charmantes Getue sparen, ich weiß ja jetzt, was für ein hinterhältiger Heuchler du bist. Ich bin keinesfalls dein Gast, denn Gäste kommen freiwillig, und das bin ich, wie wir beide wissen, hier nicht. Also, was willst du von mir?“
Ich spürte , wie David mich musterte und musste mich schwer beherrschen, um seinen mit Sicherheit abschätzigen Blick nicht herausfordernd zu erwidern. Schließlich seufzte er resigniert auf. „Du bist nicht nur stur und undankbar, sondern auch auf eine verletzende Weise vorurteilsbehaftet. Kein Wunder, dass du dich damit in Schwierigkeiten bringst.“ Er schloss die Tür und kam langsam auf mich zu, blieb vor dem Sessel und somit vor mir stehen, sah auf mich herab und erwartete wohl, dass ich ihn endlich anblickte. Da ich ihm diesen Gefallen nicht tat, ging er weiter zum Sofa und ließ sich dort schließlich lässig nieder.
„Ich bin nicht vorurteilsbehaftet, sonde rn erkenne, wenn jemand seine Spielchen mit mir spielt. Das nennt man Scharfsinn. Aber das gefällt dir natürlich nicht, weil du es ja nie zugeben könntest, dass dein göttlicher Charme tatsächlich einmal versagt hat.“
I ch bemerkte aus dem Augenwinkel wie David mich mit einem amüsierten Blick musterte. „Klingt als trenne uns Stolz und Vorurteil. Da gibt es, glaube ich, einen Klassiker aus der Weltliteratur dazu. Was würde uns der wohl in dieser Situation raten?“
Ich wandte meinen Blick gelangweilt wirkend auf die Bücherwand zu meiner Linken. „Laut Romanvorlage stürzt sich Mister Wickham auf Grund seiner Laster und seiner sittenlosen Unverfrorenheit in eine unglückliche Ehe mit einem naiven, jungen Ding, das fortan an seinem Rockschoss hängt. Solltest du dir dieses Schicksal ersparen wollen, wäre Jane Austens Antwort wohl, du solltest das Priesteramt wählen.“
David lachte rau auf. „Soweit ich mich erinnere, verfiel auch Miss Elisabeth Wickhams Charme“, gab er mit verführerischem Timbre von sich, ohne auf meinen Seitenhieb, er hätte den Hallodri-Charakter eines Mister Wickham, einzugehen.
Ich zuckte unbedeutend mit den Schultern. „Die Frauenfiguren bei Jane Austen waren von widerspenstigem Charakter. Am Ende hat aber stets die sanfte Vernunft gesiegt und der ehrenhafteste aller Männer den Zuschlag bekommen. Nach Jane Austen hast du also wenig Chancen auf ein Happy End.“
David ließ sich von meiner Boshaftigkeit nicht reizen. Seine Stimme klang relaxt, als er mir antwortete. „Wahrscheinlich konnte ich ihren Büchern deswegen stets wenig abgewinnen. Mister Darcy war mir immer schon zu langweilig und passiv. Ich verstehe nicht, warum viele Frauen ihn zu ihrem Ideal ernennen.“
„Nein, wie könntest du auch. Von Ehrenhaftigkeit bist du weit entfernt. Du entsprichst eher dem windigen Charakter des Georges Duroy in Maupassants Bel Ami.“
Das schien David nun doch ein wenig zu weit zu gehen, denn er gab ein entrüstetes Schnauben von sich. „So scharfzüngig und kratzbürstig wie du bist, Josephine, solltest du eigentlich keine Angst davor haben, mich anzusehen.“
„Ich habe kein Interesse daran, dich anzusehen. Dein Anblick erfreut mich nicht gerade.“ Ich musterte weiter stoisch die Bücherrücken. David schwieg einen Augenblick. Anscheinend empfand er es doch anstrengender, sich mit mir zu unterhalten, als er angenommen hatte. Gut so. Ich war bestimmt nicht hier, um es ihm leicht zu machen.
„Kannst du dich nicht einmal sachlich mit mir unterhalten?“
„Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?“, entgegnete ich mit ironischem Unterton, da ich die Antwort kannte.
David ersparte sich tatsächlich eine Antwort und seufzte nur erschöpft auf. „Das kann ja ein langer Nachmittag werden.“ Er erhob sich vom Sofa und wandte sich zur Tür. „Dazu brauche ich Kaffee. Willst du auch eine Tasse oder hast du wieder Angst, ich könnte dich damit vergiften wollen?“
Ich überlegte, ob ich schmollen sollte, doch das kam mir kindisch vor. „Es ist ja wohl das Mindeste seinen Gast mit Kaffee zu bewirten“,
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