Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
vorerst war ich sowieso viel zu schwach zum Flüchten.
Unbändiger Durst machte sich in mir breit, und ich stierte unschlüssig auf das Wasserglas. Konnte ich es bedenkenlos trinken? Doch was sollte mir David schon anhaben können, jetzt wo ich eh schon in seiner Wohnung festsaß? Zaghaft griff ich nach dem Glas und schnupperte erst mal daran. Es roch nach nichts. Wie Wasser eben. Schulterzuckend gab ich schließlich nach und nahm einen kleinen Schluck. Es schmeckte auch wie Wasser und heizte meinen Durst noch mehr an. O hne weiter darüber nachzudenken, kippte ich in nahezu einem Zug das ganze Glas hinunter und fühlte mich augenblicklich besser.
Wie angekündigt, ließ d as Pochen in meinem Kopf nach und ich spürte, wie mein Kopf klarer wurde. Wacher. Auch mein Körper fing an, sich zu erholen. Ich reckte und streckte mich vorsichtig ein wenig und wagte es schließlich, aufzustehen.
Erneut sah ich mich um. Das Zimmer war eindeutig ein Lesezimmer. Eine private Bibliothek. Es war nicht sonderlich groß, wirkte aber sehr gemütlich. Was wohl an den unzähligen Büchern lag, die Regal für Regal nur darauf warteten, gelesen zu werden. Alleine die Menge an Lesestoff zog mich in seinen Bann. Ich hätte zu gerne ein wenig in den Regalen gestöbert, doch ich war ja nicht freiwillig hier.
Das Fenster lockte mich an und ich ging so leise wie möglich darauf zu. Ein bodenlanger, dicker, lichtabweisender Vorhang war davor zugezogen. Vorsichtig spähte ich dahinter und musste kurz die Augen vor dem grellen Tageslicht schließen. Als ich sie zaghaft wieder öffnete und aus dem Fenster schaute, wurde ich jäh enttäuscht, als ich feststellte, dass das Fenster eindeutig in einem Stockwerk lag, das ein gefahrloses Springen nach unten unmöglich machte.
Ich sah mich dennoch um, um mich zu orientieren und stellte zu meiner Überraschung fest, dass man von dem Fenster aus den Eiffelturm sehen konnte.
Was zum einen bedeutete, dass ich mich mitten in Paris befand, worüber ich sehr erleichtert war , und zum anderen auf eine teure Wohnlage hinwies. Nicht, dass mich das sonderlich überraschte. Marianne hatte ja bereits betont, dass David reich war. Doch eine Wohnung mitten in Paris mit Blick auf den Eiffelturm deutete nicht nur auf Reichtum, sondern auf ein sehr wohlhabendes Vermögen hin. Oder auf Erbschaft. Was auch immer. Das war mir ja eigentlich auch egal.
Jäh wandte ich mich vom Fenster ab und sah mich erneut in meinem kleinen Gefängnis um. Unter anderen Umständen hätte ich mich hier herrlich unterhalten und wahrscheinlich eher wie im Schlaraffenland gefühlt. Doch die Gewissheit, dass ich nicht freiwillig hier war und immer noch nicht wusste, was David für ein Spiel mit mir trieb, stimmte mich alles andere als friedlich. Ich musste übe rlegen, wie ich hier herauskam.
Ich sah mich aufmerksam im Raum um, doch von einem Telefon war natürlich weit und breit nichts zu sehen. Ich entdeckte meine Tasche auf einem der Sessel und stürmte darauf zu. Schnell wühlte ich mich durch den Inhalt, doch von meinem Mobiltelefon war keine Spur. Ich schüttelte den ganzen Inhalt heraus, doch das Telefon blieb verschwunden. Natürlich! David hatte vorgesorgt. Er war bestimmt nicht so dumm, mich hier mit einem Telefon alleine zu lassen. Er wusste, dass ich versuchen würde, zu entkommen. Er konnte es schließlich in meinen Gedanken lesen.
Bei dieser Erkenntnis durchfuhr mich erneut eine heiße Welle des Entsetzens. Er konnte meine Gedanken lesen! Ich wusste noch nicht wie und in welchem Zusammenhang, was die Frage aufwarf, ob er jetzt in diesem Moment meine Gedanken lesen konnte. Panik durchströmte mich. Dann Verzweiflung. Vielleicht konnte er in mir lesen wie in einem Buch. Was für ein schrecklicher Gedanke.
Seufzend ließ ich mich auf den Sessel fallen, der der Tür am nächsten stand. Vorerst saß ich hier wohl in der Falle. Ich stöhnte frustriert auf und lehnte erschöpft meinen Kopf an die Sesselkante. In was für eine Geschichte war ich hier nur geraten? Wer war David? Was wollte er von mir?
Warum beobachtete er mich und beschützte mich vor diesem anderen unheimlichen Typen, wollte aber nicht damit herausrücken, wer dieser war und was er von mir wollte? Ich hatte das unangenehme Gefühl, dass das eigentliche Versteckspielchen zwischen David und mir eben erst seinen Anfang nahm.
Wie auf sein Stichwort öffnete sich die Tür und David trat erneut ins Zimmer. Er blieb an der Türe stehen und sah mich fragend an. „Darf ich
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