Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
erwiderte ich spitz. David verließ erneut schwer aufseufzend das Zimmer und schloss die Tür sorgfältig hinter sich.
Auch ich seufzte erschöpft auf. David hatte Recht. Würden wir so weitermachen, würde das ein langer, anstrengender Tag werden. Je eher ich herausbekam, wa s er von mir wollte, umso schneller würde ich hier wieder rauskommen. Das hoffte ich zumindest. Ich sollte ihm also wohl ein wenig entgegen kommen.
Da David sich Zeit ließ, sprang ich nach einer Weile auf und lief zu dem Bücherregal, das ich die ganze Zeit betrachtet hatte. Ich konnte nicht mehr tatenlos rumsitzen und außerdem zogen mich die vielen farbigen Bu cheinbände geradezu magisch an.
Ich musste neidvoll anerkennen, dass David eine phantastische Auswahl an Büchern hatte. Ich erkannte sämtliche Klassiker in den Regalen und das zum Teil in kostbaren Ausgaben, bei denen es mich schwer reizte, sie in die Hände zu nehmen, doch ich beschränkte mich auf das Studieren der Bücherrücken. Ich wollte nichts bewundernd in die Hand nehmen, was David gehörte.
Er hatte sogar eine ganze Sammlung an römischen und griechischen Sagen, die mich als Kind sehr fasziniert hatten und die ich tonnenweise verschlungen hatte. Ich entdeckte gerade einige Ausgaben von altgriechischen Schriften, als die Tür wieder hinter mir aufging.
„Magst du Platon?“, fragte David mich beiläufig, als würde er eine lockere Unterhaltung von vorhin fortsetzen. Ich hörte das Klappern von Kaffeetassen, die er auf den Couchtisch stellte.
„Ich mag so ziemlich alle antiken Schriften“, gab ich, mich an meinen Vorsatz erinnernd, so unverbindlich wie möglich zurück und studierte weiter die Titel im Regal.
„Du kannst dir was ausleihen, wenn du möchtest.“
Er sagte das mit einer Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, als wären wir gute Freunde, die sich zum Kaffeeplausch trafen und nicht etwa Spinnefeind. Was mich schließlich dazu brachte, mich umzudr ehen und ihn prüfend anzusehen.
Er hob gerade einen Teller mit Croissants und Pain au Chocolat von einem Tablett und stellte ihn auf den Couchtisch. Er sah mich nicht an, während er auch Kaffeekanne , Milch und Zucker abstellte.
„Ich habe auch was von Sokrates und Schriften von anderen altgriechischen Philosophen. Manche Aussagen darin sind überraschend zeitlos und anregend. Ich nehme an, als angehende Literaturwissenschaftlerin könnten sie dich interessieren.“ Er legte das Tablett zur Seite und richtete sich langsam auf. Ruhig wandte er mir seinen Blick zu und sah mich erstaunlich zurückhaltend an. Anscheinend hatte auch er sich vorgenommen, mich nicht mehr unnötig zu reizen.
Er hatte sein Sakko ausgezogen und trug ein klassisches, weißes Hemd, das er an den Ärmeln lässig bis zu den Ellbogen hochgekrempelt hatte, und wirkte damit insgesamt gleich viel entspannter und lockerer. Nicht mehr ganz so streng und perfekt. Auch wenn ich mit Unbehagen bemerkte, dass jetzt seine gut definierten Armmuskeln deutlich zu sehen waren und auch sein muskulöser Oberkörper nicht mehr nur meiner Einbildung entsprungen zu sein schien. Er zeichnete sich deutlich unter dem enganliegenden Hemd ab. Als mein Blick sich wieder seinen Augen zuwandte, ließ er sich keine Regung hinsichtlich meiner Musterung anmerken. Bevor ich etwas sagen konnte, zeigte er auf den Couchtisch und setzte sich wieder auf das Sofa.
„Du musst Hunger haben. Greif zu.“ Er schenkte Kaffee in die beiden Tassen ein, nahm sich eine und lehnte sich damit locker zurück in die Sofakissen. Er sah mich nicht an, als er wieder anfing zu sprechen, sondern starrte in die Ferne. „Ich mag die altgriechischen Schriften. Wenn man bedenkt , wie alt sie sind und wie anders das Leben damals war, so sind sie doch auf ihre Art erstaunlicherweise passend auf so manche Situation der heutigen Zeit. Manchmal sogar vorausschauend. Das ist faszinierend.“
Ich beäugte ihn misstrauisch, doch da er weiterhin vorgab mich nicht zu beachten, setzte ich mich schließlich wieder in denselben Sessel wie vorhin und nahm die zweite Kaffeetasse entgegen. Beim Anblick der Croissants konnte ich ein Magengrummeln nicht verhindern. Ich wusste nicht, wie spät es war, aber mit Sicherheit war der Mittag bereits vorbei, und da ich nicht mal ein Frühstück gehabt hatte, war ich schon etwas hungrig. David schob mir ohne Kommentar den Teller mit den Croissants hin und ich erlag schließlich der Versuchung.
Schweigend saßen wir einen Moment zusammen. David nippte an seinem
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