Envy-[Neid]
verbunden war, würden sie genau das tun.
Er warf einen prüfenden Blick auf seine Armbanduhr.
»Wie viel Zeit brauchst du? Ich sollte den Chauffeur wissen lassen, wann wir unten sein werden.«
Maris seufzte resigniert. »Gib mir zwanzig Minuten.«
»Ich werde großzügig sein. Nimm dir eine halbe Stunde.« Vor dem Weggehen warf er ihr einen Luftkuss zu.
Maris machte sich jedoch nicht sofort an die Generalüberholung, sondern bat stattdessen ihre Assistentin um einen Anruf.
Ihr war noch eine Idee gekommen, wie sie den Autor von Neid eventuell aufspüren konnte.
Während sie darauf wartete, durchgestellt zu werden, schaute sie zu ihren beinahe raumhohen Bürofenstern hinaus, die eine Art Erker bildeten und ihr freien Blick nach Südosten gewährten. Das Herz von Manhattan erlebte einen milden Sommerabend. Hinter den Wolkenkratzern war die Sonne untergegangen und tauchte die Straßen unten vorzeitig ins Dämmerlicht. In den Häusern gingen bereits die Lichter an. Es sah aus, als würden die Gebilde aus Ziegel und Granit zwinkern. Durch die Fenster der Nachbargebäude konnte Maris zusehen, wie andere Berufstätige für heute Schluss machten.
Auf den verstopften Avenues lagen die Autos von Büroangestellten und Theaterbesuchern miteinander im Clinch. Taxis wetteiferten zentimeterweise um Platz und zwängten sich in schier unmögliche Lücken zwischen Bussen und Lieferwagen. Offensichtlich todessüchtige Fahrradkuriere veranstalteten ein lebensgefährliches Haseund-Igel-Rennen mit dem motorisierten Verkehr. Drehtüren spuckten Fußgänger auf die überfüllten Gehsteige, wo sie um Platz fochten und Aktentaschen und Einkaufstüten wie Waffen schwangen.
Auf der anderen Seite der Avenue of the Americas bildete sich bereits eine Schlange vor der Radio City Music Hall, wo heute Abend Tony Bennett auftrat. Obwohl man ihr, Noah und ihrem Vater VIP-Freikarten angeboten hatte, mussten sie wegen dieses Banketts zur Literaturpreisverleihung ablehnen.
Und genau dafür sollte sie sich eigentlich schon umziehen, ermahnte sie sich selbst. In dem Moment klingelte ihr Telefon. »Er ist auf Leitung Eins«, teilte ihre Assistentin mit.
»Danke. Sie müssen nicht warten. Bis morgen.« Maris drückte den blinkenden Knopf. »Hallo?«
»Jaaa. Hier Hilfssheriff Dwight Harris.«
»Hallo, Deputy Harris. Danke, dass Sie meinen Anruf entgegennehmen. Ich heiße Maris Matherly-Reed.«
»Sagen Sie das noch mal?« Sie tat es.
»Mhm.«
Maris hielt inne und gab ihm Zeit für einen Kommentar oder eine Frage. Da er das nicht tat, kam sie direkt zum Grund ihres Anrufes. »Ich versuche, jemanden zu erreichen, der vermutlich auf der Insel St. Anne lebt.«
»Die liegt in unserem Bezirk.«
»In Georgia, korrekt?«
»Jawohl, Ma’am«, erwiderte er stolz.
»Ist St. Anne tatsächlich eine Insel?«
»Macht nicht viel her. Ich meine, ist klein. Aber eine Insel ist’s, klar. Liegt ein bisschen unter zwei Meilen vor dem Festland. Wen suchen Sie denn?«
»Jemanden mit den Initialen P.M.E.«
»Sagten Sie P.M.E.?«
»Haben Sie je gehört, dass einer diese Initialen verwendet?«
»Könnte ich nicht sagen, Ma’am. Geht’s hier um einen Mann oder eine Frau?«
»Leider weiß ich das nicht.«
»Das wissen Sie nicht. Hm.« Nach ein, zwei Sekunden fragte der Hilfssheriff: »Was wollen Sie denn von dem, wenn Sie nicht mal wissen, ob’s ein Mann oder eine Frau ist?«
»Etwas Geschäftliches.«
»Geschäftlich.«
»Richtig.«
»Hm.«
Sackgasse. Maris versuchte es noch einmal. »Ich dachte, Sie würden vielleicht jemanden kennen oder hätten schon von einem gehört, der…«
»Nöö.«
Das führte zu nichts, außerdem war ihre Zeit knapp.
»Jedenfalls bedanke ich mich bei Ihnen, Deputy Harris, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Entschuldigen Sie bitte die Störung.«
»Macht nichts.«
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, meinen Namen und die Nummer zu notieren? Sollte Ihnen etwas einfallen oder Ihnen etwas über jemanden mit diesen Initialen zu Ohren kommen, wäre ich Ihnen für eine Mitteilung sehr dankbar.«
Nachdem sie ihm ihre Telefonnummern gegeben hatte, sagte er: »Hören Sie, Ma’am, wenn es sich um unbezahlte Alimente oder einen ausstehenden Haftbefehl oder was Ähnliches handelt, wäre ich Ihnen gern behilflich…«
»Nein, nein, mit dem Gesetz hat das gar nichts zu tun.«
»Rein geschäftlich.«
»Richtig.«
»Nun, dann also«, sagte er spürbar enttäuscht. »Schade, dass ich Ihnen nicht helfen konnte.«
Sie bedankte
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