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Envy-[Neid]

Envy-[Neid]

Titel: Envy-[Neid] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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sich nochmals, versperrte dann ihr Büro und lief durch den Flur zur Damentoilette, wo seit ihrer Ankunft heute am frühen Morgen ihr Cocktailkleid hing. Da sie häufig vor dem Verlassen des Gebäudes ihre Tageskleidung mit einem Abenddress vertauschte, bewahrte sie in einem verschlossenen Fach ein komplettes Sortiment von Kosmetika auf, das jetzt zum Einsatz kam.
    Als sie fünfzehn Minuten später vor dem Aufzug auf Noah traf, stieß er einen langen anerkennenden Pfiff aus und küsste sie auf die Wange. »Hübsches Wechselspiel. Eigentlich sogar ein Wunder. Du siehst fantastisch aus.«
    Während der Fahrt ins Erdgeschoss taxierte sie in der metallenen Aufzugtüre ihr Spiegelbild. Ihre Bemühungen waren nicht vergebens gewesen. »Fantastisch« war zwar leicht übertrieben, aber in Anbetracht des aufgelösten Anfangszustandes sah sie besser aus, als sie je hätte erwarten dürfen.
    Sie hatte sich für ein Etuikleid aus weinroter Seide mit Spaghettiträgern und U-Ausschnitt entschieden. Als Zugeständnis an abendliches Geglitzer trug sie Diamantstecker in den Ohren und eine über und über mit Strass besetzte, schmetterlingsförmige Handtasche von Judith Leiber, ein Weihnachtsgeschenk ihres Vaters. Dazu einen Pashmina, den sie im Anschluss an die Frankfurter Buchmesse während eines Abstechers nach Paris gekauft hatte.
    Die schulterlangen Haare hatte sie zu einem glatten, tief sitzenden Pferdeschwanz zusammengebunden, eine Frisur, die – obwohl eine Verlegenheitslösung – schick und elegant aussah. Sie hatte ihr Augen-Make-up erneuert und die Lippen umrandet und mit Gloss betont. Um ihrer Neonlicht-Blässe etwas Farbe zu verleihen, hatte sie auf Wangen, Kinn, Stirn und Dekollete Bronzepuder aufgetragen. Ihr Wonderbra, ein technisches Wunderwerk, sorgte für ein schmeichelhaftes Grübchen im Ausschnitt.
    »Ihre Sonnenbräune und Titten waren künstlich.«
    Die Aufzugtüren öffneten sich im Erdgeschoss. Mit einem verwunderten Blick trat Noah beiseite, um sie zuerst aussteigen zu lassen. »Verzeihung?«
    Sie lachte leise. »Nichts, nur ein Zitat aus meiner heutigen Lektüre.«

Kapitel 2
    Obwohl der Regen schon vor einer halben Stunde aufgehört hatte, war die Luft noch so feucht, dass das Wasser nicht verdunsten konnte, sondern sich in Pfützen sammelte, und Blütenblätter und die flaumige Haut erntereifer Pfirsiche mit Wasserperlen überzog. Die Äste immergrüner Gewächse bogen sich unter dem zusätzlichen Gewicht. Dicke Tropfen fielen von sauber gewaschenen Hartholzblättern auf den aufgeweichten durchnässten Boden.
    Der leiseste Hauch hätte das Wasser in kleinen Schauern herabgeschüttelt, aber leider regte sich kaum ein Lüftchen. Die Luft stand träge da und lastete auf einem fast so wie die Stille.
    Deputy Dwight Harris kletterte aus dem Golfcart, den er sich an der Anlegestelle von St. Anne geborgt hatte. Ehe er sich auf den Weg hinauf zum Haus machte, nahm er seinen Hut ab und blieb stehen. Er brauche einfach einen Augenblick zur Orientierung, redete er sich ein, obwohl er in Wahrheit nur im Nachhinein seine Entscheidung überprüfte, nach Sonnenuntergang allein hierher zu kommen. Er war unsicher, was ihn erwartete.
    Obwohl er noch nie vorher hier gewesen war, wusste er über dieses Haus Bescheid. Klar. Jeder Besucher der Insel St. Anne hatte Geschichten über die Pflanzervilla an der östlichsten Inselspitze gehört. Sie lag auf einer kleinen Landzunge Richtung Afrika. Einiges, was ihm zu Ohren gekommen war, entbehrte jeder Glaubwürdigkeit. Die Beschreibungen des Hauses kamen der Wirklichkeit allerdings verdammt nahe, weiß Gott.
    Es handelte sich um eine für das Tiefland von Carolina typische Architektur: Das zweistöckige weiße Holzhaus saß auf einem alten Ziegelunterbau. Sechs breite Stufen führten zur tiefen Veranda hinauf, die sich über die ganze Vorderfront des Hauses und noch links und rechts davon erstreckte. Die Eingangstür sowie sämtliche Fensterläden in beiden Stockwerken waren glänzend schwarz gestrichen. Sechs glatte Säulen trugen den Balkon des zweiten Stocks. Wie Buchstützen klebten Doppelkamine an den Enden des steilen Satteldaches. Das entsprach ziemlich der Erwartung von Deputy Harris.
    Mit einem hatte er allerdings nicht gerechnet: dass es so gespenstisch wirkte.
    Als ihm unvermutet vom tief hängenden Ast eines Baumes, unter dem er stand, ein Regentropfen ins Genick fiel, zuckte er mit einem leisen Entsetzensschrei zusammen. Während er sich abtrocknete, setzte er seinen

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